Wiener SPÖ: „Multikulti ist tot“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
  • Drucken

Die SPÖ forciert im Wahlkampf die Integrations-Arbeit in Wien, präsentiert neue Projekte und geht auf Konfrontation zur ÖVP, die von „Ausländer-Ghettos“ spricht.

WIEN. Wilhelm Molterer reicht es. Michael Häupl auch: „Wegen der Lügen, die verbreitet werden“, polterte der Wiener Bürgermeister am Mittwochabend bei einem Gespräch über die Wiener Integrationspolitik.

Es ist Wahlkampf, die Zeit der „fokussierten Unintelligenz“ wie Häupl gerne sagt. Die ÖVP spricht von Ausländer-Ghettos in Wien und Häupl kontert im „Kent“, dem bekanntesten türkischen Lokal der Stadt, verärgert: „Wenn die ÖVP von Ausländer-Ghettos in Wien spricht, dann sagt sie nicht die Wahrheit. Das wird landläufig als Lüge bezeichnet.“

Ausländer sind wieder zum Wahlkampfthema geworden, auch bei der Wiener SPÖ. Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger kündigte an, dass ab Herbst die Integrationsarbeit der Stadt weiter forciert und das „Wiener Modell“ (gesteuerte Zuwanderung, Regeln müssen für alle gelten) ausgebaut wird. Die grundsätzliche Linie: „Wien ist eine Zuwandererstadt. Migranten haben ebenso Pflichten wie Rechte und müssen sich an die Gesetze halten.“ Häupl: „Und das österreichische Strafrecht wird sicher nicht durch die Scharia ersetzt.“ Die Maßnahmen:
•Verstärkte Integration. Ab Herbst wird die sogenannte „Integrations- und Niederlassungsbegleitung“ eingeführt. Migranten werden intensiver als bisher mit Leben und Gewohnheiten in Wien (Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen, Kinderbetreuung etc.) vertraut gemacht. Durch die Kenntnis der Stadt soll die Integration erleichtert bzw. beschleunigt werden.
Zuwanderungskommission. Parallel zur verstärkten Begleitung bei der Integration wird eine „Wiener Zuwanderungskommission“ eingeführt. Sie soll Vorschläge für eine österreichweite Lösung von Integrationsproblemen erarbeiten; beispielsweise im Bereich des Arbeitsrechtes.
•110 Lehrer zusätzlich. Bildung (Sprache) ist der Zugang zur Integration. Deshalb wird die Stadt ab dem nächsten Schuljahr 110 Lehrer zusätzlich für die Integrationsarbeit einsetzen, kündigte Häupl an. In Volksschulen und Kooperativen Mittelschulen sollen sich diese Lehrer vor allem mit Sprachproblemen beschäftigen – obwohl das kein reines Migrantenproblem ist. Vor wenigen Tagen hatte die vorgezogene Schuleinschreibung festgestellt: 3000 künftige Volksschüler haben Sprachprobleme; 20 Prozent davon sind Wiener, die Deutsch als Muttersprache haben.
•Jugendliche Migranten. Integrationsstadträtin Frauenberger will 2009 den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf jugendliche Migranten legen. Hintergrund: Jugendliche ohne Perspektive können zu einem Problem werden, wenn sie nichts mehr zu verlieren haben (Stichwort: Jugendkriminalität).
•Wiener & Migranten. „Mulitkulti ist tot“, erklärt Frauenberger: Der Austausch von Kebab gegen Wiener Schnitzel könne nicht alles, sondern nur ein erster Schritt sein: „Es geht darum, Gemeinsamkeiten zu finden.“ Beispielsweise würden in Wohnanlagen Migranten und Wiener gemeinsam die Grünanlage gestalten. Das baue Ängste und Vorurteile ab.

Wogegen sich Frauenberger wehrt: Viele Nachbarschaftskonflikte würden im Wahlkampf einfach zu Integrationsproblemen gemacht werden.

Es ist Wahlkampf. Die Grünen kommentieren die SP-Ankündigungen als „schwammige Ankündigungen“; die FPÖ will „keine Hofierung von Zuwanderern“ und für die ÖVP ist die Integrationspolitik in Wien sowieso grundsätzlich „gescheitert“.

Auf einen Blick

Die SP-Stadtregierung in Wien startet ab Herbst eine Initiative zur besseren Integration von Zuwanderern, die (nicht nur) in der Bundeshauptstadt wieder zum Wahlkampfthema geworden sind. Migranten werden ab Herbst intensiver bei der Integration betreut; in den Schulen kommen zusätzlich 110 Lehrer für die Integrationsarbeit zum Einsatz; 2009 wird der Schwerpunkt auf jugendliche Zuwanderer gelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.