„Zigeuner“ – ein Synonym für Paprika

Wo Paprika drin ist, steht oft „Zigeuner“ drauf. Was in der Lebensmittelindustrie ein Hinweis auf Schärfe und Würze ist, ist für Roma und Sinti eine diskriminierende Assoziation.

Ein Zigeunerschnitzel und ein Glas Wasser, bitte!“ Was für den einen eine ganz normale Bestellung ist, ist für den anderen ein Schlag ins Gesicht. Roma und Sinti lehnen das Wort „Zigeuner“ als rassistische Fremdbezeichnung ab und wünschen sich, dass es aus dem Sprachgebrauch verschwindet. So auch aus den Supermarktregalen und Speisekarten. Doch die Lebensmittelindustrie zieht nicht mit.

Rudolf Sarközi vom Kulturverein österreichischer Roma glaubt daran, dass im Laufe der Jahre zumindest eine Besserung eingetreten ist. Was früher auf fast jeder Speisekarte zu lesen war, sei jetzt eher eine Seltenheit.

Tatsächlich offenbart ein Rundgang im Supermarkt, dass noch zahlreiche Produkte mit der rassistischen Bezeichnung zum Verzehr angeboten werden. Vom Brotbelag bis zum Schnitzel. Die Palette ist vielfältig: „Zigeunerräder“, diverse „Zigeuneraufstriche“, „Zigeunerschnitzelbasis“ oder „Zigeunerwürstel“: Alles Scharfe und Würzige ist potenziell geeignet, diese Bezeichnung zu tragen. Dabei gibt es im Sortiment oft Produkte, die in Geschmack und Zusammensetzung ähnlich, aber deren Bezeichnungen neutral sind. Oft unterscheiden sich diese Speisen bis auf eine kleine Zutat kaum voneinander: Paprika. Kelly's Sing Sing oder Kelly's Zigeunerräder? Zigeunerwürstel oder Debreziner von Radatz? Wo Paprika drin ist, steht nicht selten „Zigeuner“ drauf.

Ob bei den betreffenden Firmen Beschwerden eingehen oder sich niemand beklagt, bleibt offen. Weder Kelly's noch Radatz konnten bis Redaktionsschluss eine Stellungnahme abgeben. Die Geschäftsleitung von Wojnar (Zigeuneraufstrich) lässt ausrichten, dass sie „eigentlich kein Interesse an dem Bericht“ habe. Wenn es um das Rütteln an Traditionsnamen geht, sind die Gemüter oft erhitzt, wie die Debatte um die Werbekampagne „I will mohr“ von Unilever im vergangenen Jahr gezeigt hat. Nach heftigen Protesten wurden die Werbeplakate abgenommen. Kritiker verurteilen die Verwendung des kolonial geprägten Begriffs „Mohr“ und regen die Umbenennung der österreichischen Mehlspeise an. Ein Ansinnen, das bei vielen auf Widerstand stößt.

„Zum Fressen gern“

Rudolf Sarközi denkt jedoch nicht an einen Kampf gegen die Gastronomie. „Es bringt nichts. Ich vergeude nicht sinnlos meine Energie.“ Das ändert jedoch nichts daran, dass er das „Z-Wort“ grundsätzlich strikt ablehnt. Er setze vor allem auf Aufklärungsarbeit, nicht aber auf Aktionismus. „Ich versuche, mein Gegenüber zu überzeugen.“ Er habe, erzählt Sarközi, vor vielen Jahren wegen der finanziellen Notlage des Kulturvereins versucht, einige der Unternehmen, die mit dem Wort „Zigeuner“ werben, als Unterstützer zu gewinnen. Ohne Erfolg. „Man hat uns zum Fressen gern, aber wir sind ihnen nicht mal ein Blatt Papier wert.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2010)

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