Ein junger Einwanderer erzählt

(c) Fischer Verlag
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Der 25-jährige M. Melih Gördesli kam als Vierjähriger nach Wien. In seiner Autobiografie schreibt er über die Schwierigkeiten, die er beim Eingliedern in die Gesellschaft hatte.

Wien. Mit welchen Schwierigkeiten und Problemen werden Einwanderer und deren Folgegenerationen konfrontiert? Was können In- und Ausländer zu einem besseren Zusammenleben beitragen? Und wieso wollen einige gar nicht mehr in Österreich bleiben?

Diese Fragen versucht M. Melih Gördesli in seinem Erstlingswerk „Ohne Heimat“ zu beantworten. Auf 56Seiten beschreibt der 25-Jährige das Leben der Migranten in Österreich – von ausländerfeindlichen Parolen in der Schule bis zu vergeblichen Jobbewerbungen.

Als Sohn illegaler Einwanderer wird Melih Gördesli in Deutschland geboren und zieht mit seiner Familie im Alter von vier Jahren nach Wien. Dort bekommt er sehr schnell mit, dass er nicht richtig dazugehört. In der Schule wird ihm die Unterhaltung in seiner Muttersprache verboten, später wollen die Mädchen im Club nichts mit ihm zu tun haben, und beim Bundesheer, erzählt er, marschierte man zu Liedern, die einst die Hitlerjugend sang.

Was als Autobiografie beginnt, endet in einem Appell an Politik und Gesellschaft, aber auch an die Migranten selbst. Diese sollten bei der Anreise Sprachkenntnisse und genügend Wissen über das Einwanderungsland mitbringen. Aber auch eine neue Integrationspolitik sei dringend nötig – gekoppelt mit einem neuen „Ausländerbild“ in den Medien.

Gefangen zwischen zwei Welten

Erst auf den letzten Seiten wird die Titelwahl verständlich: Gefangen zwischen zwei Welten, zu keiner vollends gehörend, fallen viele Migranten in eine Identitätskrise. Das Leben in Österreich wird infrage gestellt, die alte „Heimat“ scheint allerdings auch nicht die Lösung zu sein. Das Buch ist eine Mischung aus Alltagserzählungen und konkreten politischen Vorschlägen. Es soll zur Diskussion anregen und bietet eine kleine Gebrauchsanleitung für In- und Ausländer. Viel Stoff für die wenigen Seiten, der das Buch an manchen Stellen etwas unstrukturiert erscheinen lässt. Doch das Ziel wird erreicht: Österreichern mit und ohne Migrationshintergrund eine Basis zum Nachdenken zu bieten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2011)

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