Zeichen setzen gegen Rechtsextremismus

(c) APA (Keinrath Kurt)
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Ein Netzwerk aus Parteien, NGOs und anderen Initiativen gedenkt eine Woche lang der Opfer des Nazi-Regimes. Anlass ist der Ball des Wiener Korporationsrings, der ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag stattfindet.

Wien. „Das ist eine besondere Provokation“, sagt Raimund Fastenbauer. Die Empörung des Generalsekretärs der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) zielt auf den Wiener Korporationsball – denn dieser findet heuer ausgerechnet am 27.Jänner statt, dem Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. „Wenn die Veranstalter irgendein politisches und moralisches Gespür hätten, würden sie den Ball auf einen anderen Tag verschieben.“

Fastenbauers Appell richtet sich an den Wiener Korporationsring (WKR), eine Gemeinschaft von 21 Studentenverbindungen, die laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands dem deutschnationalen bis rechtsextremen Milieu entstammen.

„Jetzt Zeichen setzen“ nennt sich eine Initiative, die gegen diesen Ball auftritt – und den Protest gleich in eine ganze „Gedenk- und Aktionswoche gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus“ packt. Mehr als 50 Organisationen und Vereine stehen hinter dieser Initiative, neben der IKG unter anderem auch die SPÖ, die Grünen, der Antirassismusverein Zara und SOS-Mitmensch.

Erinnerungen an das Lichtermeer

Vom 20. bis zum 27.Jänner sind mehr als 20 Veranstaltungen geplant, Höhepunkt ist eine Kundgebung auf dem Heldenplatz unmittelbar vor dem Ball. Erinnerungen an das Lichtermeer 1993 werden wach – damals gingen 300.000 Menschen auf die Straße, um gegen das „Anti-Ausländer-Volksbegehren“ der FPÖ zu demonstrieren. Und ein Mitveranstalter von damals ist auch heute maßgeblich an der Gedenkwoche beteiligt.

Nikolaus Kunrath war 1992 Mitbegründer der Initiative SOS-Mitmensch, heute ist er Koordinator für Sonderprojekte bei den Grünen. „Diesmal wollen wir den Protest gegen den Ball als solchen nicht in den Mittelpunkt stellen“, sagt er, „sondern die Tatsache, dass er am offiziellen Holocaust-Gedenktag stattfindet.“ Als der Termin des WKR-Balls im Herbst feststand, habe man mit den Planungen begonnen. „Zur selben Zeit wurden die Morde der deutschen rechtsextremen Gruppe ,Nationalistischer Untergrund‘ in Thüringen bekannt, davor gab es den furchtbaren rechtsextremen Terroranschlag in Norwegen“, sagt Kunrath.

Rechtsextremer Terror

Das Netzwerk „Jetzt Zeichen setzen“ ist allerdings noch etwas älter – es geht auf die Ereignisse um den 8.Mai 2011 zurück: Der WKR hielt damals ein „Totengedenken“ am Jahrestag der Kapitulation Hitler-Deutschlands auf dem Heldenplatz ab. Mit der Gründung des Netzwerks sollte eine Vernetzungsplattform von Organisationen und Gruppen aus der Zivilgesellschaft und politischen Parteien geschaffen werden, die gegen jegliche Form von Rechtsextremismus aktiv vorgehen soll.

Mit der Veranstaltungswoche will man auch auf den „rechtsextremen Terror“ in Österreich hinweisen – auch wenn er laut Verfassungsschutzbericht „keine ernsthafte Gefahr für den Staat bzw. die Verfassung oder eine Bedrohung der inneren Sicherheit“ darstellt. 2010 wurden insgesamt 1040 rechtsextreme Delikte (darunter Verbaldelikte, Körperverletzung und Verbreitung einschlägiger Botschaften) angezeigt.

Im Jänner 2011 hat die Polizei die Gegendemonstrationen zum WKR-Ball untersagt. Im heurigen Jahr ist kein Verbot ausgesprochen worden – allerdings gibt es die Sorge, dass das noch passieren könnte: Kunrath klagt, dass die Polizei bei seinem Anliegen nicht unbedingt ein Freund sei – und schon gar kein Helfer. So, wie sich auch die Unterstützer von „Jetzt Zeichen setzen“ vom offiziellen Österreich alleingelassen fühlen. „Die Politik war bis jetzt sehr zögerlich“, klagt Alexander Pollak von SOS-Mitmensch. „Die einzige Reaktion kam vom Verteidigungsministerium, das das Tragen von Heeresuniformen auf dem WKR-Ball verboten hat.“

Allerdings – auf einer anderen Ebene können die Gegner des Balls auch einen großen Erfolg vermelden: Der heurige WKR-Ball ist der letzte, der in der Hofburg stattfindet. Das teilte die Wiener Hofburg Kongresszentrum BetriebsgmbH bereits vergangenen Dezember per Aussendung mit.

Zwar mobilisieren noch einige Vertreter des Korporationsrings und einige FPÖ-Politiker gegen die Entscheidung. Doch so, wie es aussieht, muss der Ball im kommenden Jahr an einem anderen Ort stattfinden.

Diskussionen und Musik

Die einzelnen Punkte der Aktionswoche sind so unterschiedlich wie die Unterstützer der Bewegung. So gibt es Buchbesprechungen, Lesungen, einen Frauenbrunch und Führungen durch den jüdischen Friedhof Währing (s. Artikel unten links). Den Höhepunkt bilden zwei Veranstaltungen am 27.Jänner.

Zu Mittag findet auf dem Heldenplatz eine Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZs Auschwitz-Birkenau statt, bei der auch ein Überlebender des Holocaust teilnehmen wird. Am Abend wird es bei der Kundgebung „Erinnern und Zeichen setzen!“ mit einem Musik- und Rednerprogramm lauter zugehen. „Jeder kann und sollte zu dieser Veranstaltung kommen“, sagt Nikolaus Kunrath. „Wir wollen ein starkes und sichtbares Zeichen setzen.“

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.jetztzeichensetzen.at

Auf einen Blick

Aktionswoche: Vom 20. bis 27.Jänner will die Plattform „Jetzt Zeichen setzen“ gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus mobilmachen. Hinter dem Netzwerk stehen unter anderem SPÖ, Grüne, der Antirassismusverein Zara, SOS-Mitmensch und die Israelitische Kultusgemeinde.

Veranstaltungen: Geplant sind Lesungen, Diskussionen und eine Abschlussveranstaltung auf dem Heldenplatz direkt vor dem WKR-Ball.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2012)

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