Kopftuch-Debatte: Wie (in)tolerant ist Österreich?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Kopfbekleidung ist schlecht für Integration, sagt eine Umfrage. Das größte Hindernis für die Akzeptanz von Zuwanderern soll „das kulturelle Verhalten beziehungsweise das Benehmen“ sein.

Wien. Für Medien und in politischen Kampagnen ist es ein beliebtes Thema. Denn kaum ein anderes Stück Stoff scheint die Massen dermaßen zu spalten und in Aufruhr zu versetzen: das Kopftuch. Umso besser für die Schlagzeilen, wenn eine Studie beweist, wie problematisch so ein Kopftuch für die Integration von Migranten sein kann.

Das besagt zumindest die Studie „Demokratie- und Wertemonitoring“ der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft (SWS): Demnach würde das größte Hindernis für die Akzeptanz von Zuwanderern nach Meinung der Befragten im Jahr 2011 „das kulturelle Verhalten beziehungsweise das Benehmen der Zuwanderer“ sein – was immer man auch unter dieser Beschreibung verstehen möchte. Ein weiterer großer Störfaktor für die Integration sei zusätzlich das Kopftuch – ganze 67Prozent der Befragten sehen es als „großes Hindernis“, nur sechs Prozent würden „kein Hindernis“ darin erkennen.

Die Faktoren „Hautfarbe“ und das „islamische Religionsbekenntnis“ würden eher als geringeres Hindernis gesehen, wird in der Studie weiter beschrieben. Allerdings: Jeder Dritte der Befragten sieht das „islamische Religionsbekenntnis“ immer noch als „großes Hindernis“. Etwa 40Prozent der Befragten gaben an, ein unangenehmes Gefühl zu haben, wenn sie „einem Mann begegnen, der nach einem strengen Moslem aussieht“. Bei der Hautfarbe ist es ähnlich: Für 29 Prozent der Befragten stellt sie ein „großes Hindernis“ für Akzeptanz in Österreich dar.

„Meines Erachtens ist das ein hoher Wert“, sagt Kenneth Horvath, Sprecher der Sektion Migrations- und Rassismusforschung der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie. „Zu bedenken ist dabei, dass hautfarbenbezogener Rassismus gesellschaftlich viel stärker tabuisiert ist als das – auch medial weitverbreitete – Ressentiment gegen Kopftuchträger.“ Insofern sei auch die Neigung, bei einer Befragung eher zurückhaltend zu antworten, im Fall der Hautfarbe mit Sicherheit größer als bei der Bekleidung.

Dass der eigentlich hohe Wert in der Studie als niedrig präsentiert wird, verstärke das Problem zusätzlich. Denn: „Hautfarbe kann man nicht ändern, Verhalten schon. Als Gesamtbild ergebe sich: Rassistisch sind die Österreicher nicht, und an ihrem Verhalten werden die Migranten ja arbeiten können“, so Horvath.

Methodische Bedenken

Aber das ist nicht der einzige Kritikpunkt. Horvath habe „inhaltlich und methodisch starke Vorbehalte“ gegen die Studie der SWS: „Die Art der Fragestellung lässt weder eine Aussage über die Verbreitung rassistischer Aussagen zu und noch viel weniger darüber, welche Faktoren integrationsfördernd oder -hemmend wirken.“

Das scheitere schon am Fragebogen: Dieser erlaube keine Unterscheidung zwischen zwei komplett verschiedenen Standpunkten. Er persönlich müsste auf die Frage, ob Hautfarbe in Österreich zu Akzeptanzproblemen führt, zustimmen. „Dasselbe würde eine Person tun, die meint, dass Menschen anderer Hautfarbe in Österreich nichts verloren haben.“ Der normative Schluss, den die Studie zumindest nahelege, sei: Migranten sollen ihr Verhalten ändern, weil sie sonst in der breiten Bevölkerung nicht akzeptiert würden. „Das Perfide ist, dass ich durch die Art, wie im Fragebogen offenbar gefragt wurde, diese Logik weiter fördere, wenn ich zustimmend meine: Ja, Hautfarbe und Kopftuch können in Österreich leider noch immer ein Problem sein.“

Diese Vorwürfe weist Marc Bittner von der SWS zurück: „Wenn das zuträfe, hätten wir 100 Prozent Zustimmung erhalten müssen.“ Und auch zwischen den möglichen Antworten gebe es zum Teil starke Streuungen, die eben die unterschiedliche Wichtigkeit von Faktoren im Hinblick auf eine Integration verdeutlichten. Und: „Eine Aussage über die Verbreitung rassistischer Aussagen zu treffen, war nicht Intention“, so Bittner.

„Österreich ist nicht Frankreich“

Auch wenn man mit den Ergebnissen dieser Studie vorsichtig umgehen muss, stellt sich immer noch die Frage: Wie rassistisch ist Österreich wirklich? „In Österreich haben wir ein großes Problem mit Rassismus. Zum Teil größer als in anderen Ländern“, so Horvath. Er habe sich allerdings vom ,biologischen‘ zum kulturspezifischen Rassismus entwickelt. Dafür müsse man nur gewisse Wahlplakate anschauen: Da würde immer wieder eine Frau mit Kopftuch als Problem dargestellt werden.

Wieso gerade das Kopftuch zum Feindbild geworden – und die Hautfarbe zumindest auf den ersten Blick in den Hintergrund gerückt sei? „Österreich ist nicht Frankreich“, sagt Horvath. Hautfarbe würde im Vergleich zu anderen Aspekten in Österreich ein weniger zentrales Abgrenzungsmerkmal sein. „Mit dem Kopftuch hingegen assoziiert man eine jahrzehntelange Arbeitsmigration.“

Übrigens: Dass die Integration und das Zusammenleben von Zuwanderern und Österreichern sehr gut funktioniere, fand kein einziger der Befragten der SWS-Studie.

Auf einen Blick

Das Kopftuch wird in Politik und Gesellschaft immer öfter als Symbol für Migranten dargestellt. Laut einer Umfrage sind 67 Prozent der Befragten sogar der Meinung, dass es ein „großes Hindernis“ für die Akzeptanz sei. Jeder Dritte sieht zusätzlich die Hautfarbe als ein „großes Hindernis“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.02.2012)

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