Jugendliche: Alkohol immer früher

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Eine neue Studie belegt, dass nicht mehr Alkohol konsumiert wird – dafür sichtbarer.

Wien(som). Fünf Jugendliche beim gemütlichen „Vorglühen“ im Auto auf dem Parkplatz vor einer Großraumdisko. Eine Gruppe Punks mit Bierflaschen auf der Mariahilfer Straße. Maturanten, die sich auf einer organisierten Maturareise in der Türkei tagelang betrinken. Konsumieren Jugendliche tatsächlich exzessiver Alkohol als früher – wie die unzähligen Zeitungsberichte vermuten lassen, die seit knapp zwei Jahren vom Phänomen „Komatrinken“ berichten? Nein, heißt es nun in einer neuen Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung, einem Forschungsinstitut in Wien, das mit den Vereinten Nationen zusammenarbeitet.

Beginn mit 14 Jahren

Der Alkoholkonsum österreichischer Jugendlicher stagniert in der Langzeitbetrachtung bzw. geht eher zurück (freilich von einem vergleichsweise hohen Niveau). Allerdings: Jugendliche beginnen heutzutage früher zu trinken – durchschnittlich im Alter von 14 Jahren. Und sie tun das vermehrt in der Öffentlichkeit. Neu außerdem: die aggressive Vermarktung von spezifischen alkoholischen Jugendgetränken (Gummibärli, Rüscherl) und Billigangebote, wie Kübeltrinken oder Alko-Spritzen. „Die Getränkepräferenzen haben sich verändert“, sagt Irmgard Eisenbach-Stangl, eine der Autoren der Studie.

Die Vermutung, dass Mädchen den Burschen beim Trinken nachziehen, hat sich für die Forscher dagegen nicht allgemein bestätigt. „Es gibt einzelne Mädchen, die genauso viel trinken“, sagt Studienautorin Gabriele Schmied. „Die Mehrheit zieht nicht mit.“ Eher entsprächen die Trinkgewohnheiten der Mädchen und Burschen weitgehend einem „traditionellen Rollenverhalten“, wie Schmied erklärt: Burschen dient das ausufernde Trinken vor Publikum der Selbstbestätigung; auf Schlägereien unter Alkoholeinfluss ist man stolz. Mädchen dagegen trinken eher verschämt oder im Geheimen. Zudem ist bei ihnen die Angst vor peinlichen Situationen, Blamieren und unerwünschten Sexualkontakten ausgeprägter.

Unterschiede im Alkoholkonsum haben die Experten in ihrer Untersuchung – sie wurde in Wien und Niederösterreich erhoben – auch zwischen Jugendlichen in ländlich und städtisch geprägten Räumen festgestellt. Während auf dem Land vor allem in Lokalen (bei Heurigen, in Diskotheken) oder bei Großereignissen wie etwa Feuerwehrfesten (in rauen Mengen) getrunken wird, sind in Städten „Straßenszenen“ verbreiteter: sozial schlechter gestellte Jugendliche, die sich auf den Straßen, in Parks, Bahnhöfen, vor Supermärkten und Tankstellen treffen – und damit auch auffälliger sind. Der Alkoholkonsum der jungen Mittel- und Oberschicht – tendenziell eher bei Privatpartys, in Lokalen oder bei Maturareisen – entzieht sich dagegen eher dem Blick der Öffentlichkeit.

Hilfe für Punks und Maturanten

Das Fazit der Forscher: Nur mit zielgruppenspezifischen Präventions- und Hilfsangeboten sind die unterschiedlichen „Alkoholszenen“ zu erreichen. Jugendspezifische Verbote dagegen brächten wenig, heißt es. In einem Land wie Österreich, in dem pro Kopf viel Alkohol konsumiert wird, sei vielmehr ein anderer Umgang mit Alkohol vonnöten. Mögliche Maßnahmen: ein Verbot von Alko-Billigangeboten in Lokalen, eine Einschränkung oder ein Verbot von Alkoholverkauf an Tankstellen. Nicht zuletzt, heißt es in dem Bericht, wäre ein einheitliches Bundesgesetz sinnvoll: Alkoholkonsum ist in Niederösterreich und Wien ab 16 erlaubt, im Westen Österreichs dagegen erst ab 18.

Den Jugendlichen ist das oft nicht bewusst: Sie überwinden auf der Suche nach Vergnügen – und Alkoholgenuss – nämlich ganz mühelos die Ländergrenzen.

Auf einen Blick

Keine Komatrinker? Eine neue Studie über den Alkoholkonsum von Jugendlichen gibt Entwarnung: Der Alkoholkonsum Jugendlicher stagniere bzw. gehe zurück. Heute werde aber früher mit dem Trinken begonnen (mit ca. 14 Jahren).

Mädchen nähern ihr Trinkverhaltendem der Burschen an.

Da die „Alkoholszenen“ der Jugendlichen sehr unterschiedlich sind, fordern Experten zielgruppen-spezifische Maßnahmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2008)


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