Klimawandel: Bäume mit Bodenheizung

Klimawandel Baeume Bodenheizung
Klimawandel Baeume Bodenheizung(c) Bilderbox
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In einem Waldstück, das mit Hightech-Ausrüstung ausgestattet wurde, versuchen Forscher, die Wirkung des Klimawandels auf den CO2-Haushalt des Bodens nachzuvollziehen.

Wald ist normalerweise eine „Kohlenstoffsenke“: Die Bäume nehmen beim Wachstum CO2 auf und speichern es. Wenn die Bäume gerodet werden (oder vermodern), wird CO2freigesetzt – dann wird der Wald zu einer „Kohlenstoffquelle“.

So weit, so bekannt. Die Gehölze oberhalb des Bodens sind aber nur die halbe Wahrheit. Denn unter der Erdoberfläche ist mindestens genauso viel Kohlenstoff gebunden wie oberhalb. Wenn nicht sogar mehr: Für Österreich wird geschätzt, dass in den Wäldern rund 320 Millionen Tonnen Kohlenstoff gespeichert sind, in den Waldböden hingegen 465 Millionen Tonnen. Dieser Kohlenstoff ist in organischem Material gebunden: in Wurzeln, in vermoderndem Laub, in Humus oder in Bodenmikroorganismen – Insekten, Amöben, Pilzen oder Bakterien. Die Bodenbewohner bauen den Kohlenstoff ab, gewinnen daraus die Energie, die sie zum Leben benötigen (und bilden daraus ihre eigene Körpermasse).

Dabei wird CO2 frei. Wenn diese „Bodenatmung“ größer ist als die Zufuhr von Kohlenstoff aus Pflanzenresten, dann ist der Boden eine CO2-Quelle, andernfalls eine Senke. Im Gleichgewichtszustand – sofern es so etwas überhaupt gibt – ist die Bilanz null. Laut den Gesetzen der Biochemie beschleunigt sich der Stoffwechsel bei höheren Temperaturen. Die Konsequenz: Wenn es im Zuge des Klimawandels wärmer wird, dann wird mehr CO2 aus dem Boden frei. Mit anderen Worten: Die Klimaerwärmung könnte dazu führen, dass der Boden zu einer CO2-Quelle wird, was den Klimawandel weiter verstärken würde.

Ob das wirklich so ist, war lange Zeit unklar. Erst Klimamanipulationsexperimente, in denen natürlicher Boden künstlich erwärmt wird, konnten zeigen, dass es im Prinzip stimmt. Eines dieser Experimente findet in Österreich statt: 2004 haben Forscher um Andreas Schindlbacher vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) in der Nähe von Achenkirch (Tirol) ein Waldstück in 910 Metern Höhe mit einer Fußbodenheizung ausgestattet. Seither wird alljährlich in der schneefreien Saison der Boden erwärmt und der CO2-Haushalt gemessen. Schon bald stand das erste Ergebnis fest: Eine Erwärmung des Bodens um vier Grad erhöhte den CO2-Ausstoß auf den Versuchsflächen um 40 bis 50 Prozent.

Die Versuche werden – gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF und in Kooperation mit der Uni Wien, der Boku oder der Uni Bayreuth – ständig verfeinert. Es wird untersucht, ob das CO2von den Wurzeln stammt („autotrophe“ Bodenatmung) oder von Bakterien („heterotroph“). Studiert wird das Artenspektrum der Mikroorganismen und der Stickstoffhaushalt. Und durch C-14-Analysen kann festgestellt werden, wie lange sich ein Kohlenstoffatom bereits im Boden befunden hat.

Eine große Unbekannte war bisher die Rolle von Niederschlägen. Vermutet wurde, dass sich der Stoffwechsel im Boden bei Trockenheit verlangsamt, weil alle Transportvorgänge von Wasser abhängen. Getestet wurde das, indem über den Versuchsflächen ein transparentes Plastikdach installiert wurde: Für drei Wochen im Sommer kam dadurch kein Tropfen Wasser auf den Waldboden – es herrschte eine künstliche Dürre. Wie erwartet verringerte sich der CO2-Ausstoß des Bodens. Die große Überraschung war, dass der Effekt der dreiwöchigen Dürre lange Zeit anhielt – und unter dem Strich die erhöhte CO2-Freisetzung wegen der Erwärmung kompensierte (Global Change Biology 18: 2270). Wenn es also zusätzlich zur Erwärmung im Sommer auch trockener wird, dann könnte der CO2-Ausstoß des Bodens im Endeffekt gleich bleiben.

Viele Details sind noch unklar, derzeit wird etwa untersucht, wie sich die chemische Struktur der organischen Substanz im Boden verändert. Denn es könnte sein, dass sich die CO2-Bilanz verändert, wenn leicht abbaubarer Kohlenstoff zur Neige geht und nur mehr stärker gebundener Kohlenstoff verfügbar ist.

Lexikon

Im Boden leben riesige Mengen
Mikroorganismen – in einem Gramm Erde können Milliarden von Bakterien sein. Deren Untersuchung ist sehr schwierig, da man die meisten
Arten nicht isoliert kultivieren kann.

Mykorrhiza. Noch weniger ist über viele Bodenpilze bekannt: Diese leben oft in Symbiose mit Bäumen („Mykorrhiza“), die vielfältigen Wechselwirkungen lassen sich im Labor kaum erforschen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2012)

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