"Prestige": Wer zahlt für zwei Milliarden Euro Schaden?

Prestige zahlt fuer Zwei
Prestige zahlt fuer Zwei(c) EPA (Stf)
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Zehn Jahre nach der Havarie des Tankers "Prestige" und der darauffolgenden Ölkatatsrophe beginnt in Spanien der Prozess. Politik und Wirtschaft müssen sich dabei nicht verantworten.

Zehn Jahre nach der Ölkatastrophe durch den Untergang des Öltankers "Prestige" vor der Küste der spanischen Region Galizien hat am Dienstag der Prozess gegen vier Angeklagte begonnen. Sie werden am 13. November gehört. Der Untergang des mit 77.000 Tonnen Schweröl beladenen Tankers im November 2002 löste die größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Spaniens aus. Im Rahmen des größten Vogelsterben in Europa verendeten 250.000 Seevögel. 

Beim Prozess werden nun keine Eigentümer des Schiffes, keine Verantwortlichen der Reederei und keine Mitglieder der damaligen spanischen Regierung auf der Anklagebank sitzen. Angeklagt sind vielmehr der griechische Kapitän, der Erste Offizier und der Maschinist sowie der damalige Chef der spanischen Hafenbehörde. Für den 77 Jahre alten Kapitän, den Hauptangeklagten, fordert die Staatsanwaltschaft zwölf Jahre Haft wegen eines Umweltvergehens und wegen Missachtung von Anweisungen der spanischen Behörden.

(c) AP Photo/EFE, Lavandeira

Mit giftiger Fracht gesunken

Das Schiff war am 13. November 2002 in einem Sturm im Atlantik leckgeschlagen. Giftiges Schweröl strömte ins Meer. Die Madrider Regierung ließ das Schiff auf das offene Meer hinausschleppen. Dort bäumte sich der riesige Tanker sechs Tage später wie ein tödlich verletztes Ungeheuer auf, zerbrach in zwei Teile und sank mit seiner giftigen Fracht auf den Grund des Meeres. Ein großer Teil des Schweröls strömte in den Atlantik. Etwa 13.000 Tonnen wurden später in einer aufwendigen Operation aus dem in 4000 Meter Tiefe liegenden Wrack abgepumpt.

Der damaligen Regierung von Ministerpräsident Jose María Aznar wurde im Europaparlament vorgeworfen, das Ausmaß der Katastrophe noch vergrößert zu haben, weil sie den Tanker nicht in einen Hafen, sondern aufs offene Meer schleppen ließ. Dennoch wurde nie gegen Mitglieder der Regierung ermittelt. Der heutige Regierungschef Mariano Rajoy leitete damals als Vizepremier den Krisenstab.

Wildes Geflecht von Reedern und Ölfirmen

Die Ermittlungen führte ein Gericht im Küstenstädtchen Corcubion. Die Richter in dem 2000-Seelen-Ort, die sich normalerweise mit Erbstreitigkeiten oder Scheidungsfällen befassten, schienen dem Geflecht von Reedern, Ölfirmen und Subunternehmen machtlos gegenüberzustehen. Die 26 Jahre alte "Prestige" gehörte einer Firma in Liberia, fuhr für eine griechische Reederei unter der Flagge der Bahamas, hatte einen griechischen Kapitän sowie eine rumänisch-philippinische Besatzung. Und sie transportierte Öl für einen russischen Konzern mit Sitz in der Schweiz.

Für den Prozess in La Coruna wurde nun eine Kongresshalle auf dem Messegelände zu einem Gerichtssaal umgebaut. Bis Mai 2013 sollen dort 133 Zeugen und 98 Gutachter angehört werden. Das Urteil wird für September 2013 erwartet. Die Justiz geht davon aus, dass der Hauptangeklagte, der sich in den vergangenen Jahren in Griechenland regelmäßig bei der Polizei melden musste, vor Gericht erscheinen wird. Einer der Angeklagten, der von den Philippinen stammende Erste Offizier, ist flüchtig und konnte bisher nicht ausfindig gemacht werden.

(c) EPA PHOTO EFE POOL/STF

Zwei Milliarden Euro Schaden

Das Gericht muss auch darüber entscheiden, wer für die Schäden aufkommen soll, die das Tankerunglück verursacht hatte. Die Staatsanwaltschaft beziffert die Summe auf über zwei Milliarden Euro. An den verseuchten Küsten waren nach der Katastrophe über 100.000 Tonnen Ölreste - vermischt mit Wasser, Sand und Algen - eingesammelt worden.

Heute locken die Strände in Nordspanien mit ihrem weißen Sand im Sommer wieder Urlauber an. Das Wrack des Tankers liegt allerdinsg noch immer rund 250 Kilometer vor der galicischen Küste in über vier Kilometern Tiefe auf dem Boden des Atlantik, mit ihm zahllose Tonnen von Schweröl, oft von einer Sandschicht bedeckt. Die Auswirkungen auf das Ökosystem sind selbst Experten ein Rätsel. Einige Fischer, die im Kampf gegen die Ölpest mitgeholfen hatten, leiden laut einer Studie bis heute an Atemproblemen und Chromosomen-Veränderungen, die zu einem erhöhten Krebsrisiko führen.

(APA/dpa/red.)

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