Bis zum letzten Tropfen Wasser

Wassertropfen
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Der weltweite Wasserverbrauch steigt rasant an. 2030 könnte auch Europa das Wasser ausgehen. Doch es gibt Lösungen: moderne Technik und steigende Preise.

Wien. Fällt in Österreich viel Regen, wird das Trinkwasser mitunter knapp. Klingt paradox, ist aber so. Im schlimmsten Fall verschmutzt der Niederschlag die Wasservorräte nämlich so stark, dass sie zum Trinken nicht mehr sauber genug sind. Nicht nur einmal musste im Osten des Landes der Tankwagen anrücken, erzählt Ralf Burchert vom Wasseraufbereiter BWT. Das Beispiel zeigt, wie heikel es um die Ressource selbst im wasserreichen Österreich bestellt ist.

Im Rest der Welt ist der Mangel offensichtlicher. Nur 2,5 Prozent allen Wassers ist süß, und davon ist nur ein Prozent ohne Aufbereitung trinkbar. Weltweit hat eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Flüsse und Seen dieser Erde mussten vor allem im 20. Jahrhundert für Industrie und Landwirtschaft Wasser lassen. Der Verbrauch stieg doppelt so schnell wie die Bevölkerungszahl. Geht es so weiter, wird es in knapp 20 Jahren auch in der industrialisierten Welt zu ernsten Problemen kommen, prophezeit die 2030 Water Resources Group (WRG). Dann wird die Nachfrage nach dem kühlen Nass das Angebot um 40 Prozent übersteigen (siehe Grafik).

Wasser aus der Wüste

Doch es gibt Lösungen, um des Wassermangels Herr zu werden. Meerwasser, Abwasser und verseuchtes Wasser können aufbereitet werden. Der Wasserverbrauch kann mit neuen Technologien drastisch reduziert werden. Sauberes Wasser ist aber vor allem auch eines: ein gutes Geschäft. 50 bis 60 Milliarden Dollar pro Jahr müssten investiert werden, um die Wasserkrise zu entschärfen, schätzt die WRG. Davon profitieren auch österreichische Spezialanbieter. Ein Beispiel ist der Wasseraufbereiter Wabag, der sich aus der VA Tech entwickelt hat. Das Unternehmen baut Anlagen zum Entsalzen von Meerwasser, wie sie in 120 Ländern weltweit stehen. Zusammen decken die 12.500 Entsalzungsanlagen weltweit aber nur ein Prozent des globalen Wasserkonsums.

Mit der richtigen Technik lässt sich Wasser auch da aufspüren, wo man es am wenigsten vermutet: in der Wüste. 600 Meter tief hat die Wabag für ihre Brunnenfelder in Saudiarabien gebohrt. Täglich werden aus den Tiefen der Wüste 200.000 Kubikmeter mit Salz kontaminiertes, heißes Wasser aus dem Untergrund gepumpt, gekühlt und durch eine hauchdünne Membran gepresst, um Riad zu versorgen. „Entsalzung wird zwar langsam billiger“, sagt Wabag-Chef Erik Gothlin zur „Presse“. Als Patentlösung sei das Verfahren aber noch zu teuer.

Das ist mit ein Grund, warum die oberösterreichische BWT sich aus dem Großgeschäft mit Kommunen zurückgezogen hat. Zu riskant sei das Anlagengeschäft gewesen. Stattdessen setzt das Unternehmen auf spezielle Filtersysteme bei den Verbrauchern selbst. 97 Prozent des Umsatzes kommen aus Europa. „Die Probleme der Welt lösen wir damit nicht“, sagt Burchert. Aber es müsse eben auch jemanden geben, der sich um qualitativ hochwertigeres Wasser kümmere. Nicht nur in Afrika, auch in Osteuropa würde Wasser zur Aufbereitung heute noch oft einfach gechlort.

Noch besser, als jeden Tropfen Wasser der Welt nutzbar zu machen, wäre es, einfach weniger Wasser zu verbrauchen. Das größte Potenzial birgt hier die Landwirtschaft. Mehr als zwei Drittel des gesamten Wasserverbrauchs gehen auf die Kappe der Bauern. Technisch aufwendige Systeme ermöglichen es heute, die Bewässerungsanlagen direkt mit Wetterstationen zu verbinden und so die Wassermenge exakt zu regulieren.

25 Liter Wasser pro Tag gratis

In ärmeren Ländern ist das selten leistbar. Doch auch hier gibt es brauchbare Konzepte. So reicht es etwa in Indien oft schon, kleine Dämme zu bauen, um das Regenwasser besser zu sammeln, um den Wasserverbrauch drastisch zu verringern. Auch Singapur nutzt zwei Drittel des Stadtgebiets, um Regenwasser in eines von 17 Reservoiren umzuleiten.

Eine der wichtigsten Lösungen für die Wasserkrise steuern aber nicht die Naturwissenschaftler bei, sondern die Ökonomen: den Preis. Viele Wissenschaftler sind überzeugt, dass die Menschen erst richtig mit der knappen Ressource umgehen, wenn Wasser einen Preis hat, der seiner Knappheit entspricht. Der bekannteste Fürsprecher dieser Idee ist Nestlé-Verwaltungsratspräsident Peter Brabeck-Letmathe. Er propagiert das System, das es etwa in Südafrika gibt. 25 Liter pro Tag sind pro Kopf frei verfügbar. Jeder zusätzliche Liter kostet.

Wer, wie die Industrie oder Landwirte, deutlich mehr verbraucht, bekommt keinen Rabatt, sondern muss noch mehr bezahlen. Das Engagement des gebürtigen Kärntners wird von manchen sehr kritisch gesehen. Schließlich ist sein Unternehmen einer der größten Produzenten von Wasser in Flaschen.

Österreich: 94 Wasserflaschen pro Kopf

Dass die Menschen auch in (wasser-)reichen Ländern tatsächlich bereit sind, für Wasser zu bezahlen, verdeutlicht eine Zahl der European Federation of Bottled Water. Demnach konsumiert jeder Österreicher, trotz aller Wildbäche und Gletscher, jedes Jahr 94 Liter Wasser in Flaschen. Damit spielt die Alpenrepublik in einer Liga mit Griechenland und Spanien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)

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