Klimawandel: Auswege aus der Sackgasse

Klimawandel
Klimawandel(c) AP (Frank Augstein)
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Experten sind auf der Suche nach besser umsetzbaren Mechanismen für einen weltweiten Klimaschutz.

Wien. Nicht einmal die hartgesottensten Optimisten erwarten, dass bei der laufenden UN-Klimakonferenz in Doha große Fortschritte erzielt werden. Das liegt zum einen daran, dass – wie im Vorjahr in Durban beschlossen – nur über einen Fahrplan für die Verhandlung eines globalen Klimaabkommens bis 2015 geredet werden soll. Zum anderen aber ist das Format der Verhandlungen immer weniger geeignet, Fortschritte zu erzielen.

Was vor einigen Jahrzehnten in einer bipolaren Welt mit den westlichen Industriestaaten auf der einen Seite und dem „Ostblock“ auf der anderen Seite – alle anderen Staaten waren Mitläufer – noch gut geklappt hat, funktioniert in einer multipolaren Welt nicht mehr: Viele verschiedene Machtblöcke haben völlig unterschiedliche Interessen. China und Indien wollen den Aufholprozess nicht gefährden, die USA ängstigen sich davor, die Führungsrolle in der Welt zu verlieren. Europa setzt dagegen auf eine Modernisierung durch Umweltauflagen („Green Economy“). Und Entwicklungsländer erwarten sich Unterstützung der reichen Welt. Die Wirtschaftskrise und der Anstieg der Energiepreise tun ihr Übriges dazu, dass sich jeder wegen zusätzlicher Wachstumsbeschränkungen sorgt.

Jedes einzelne Land kann im UN-Mechanismus ein Veto einlegen – so wie es auch bei der ebenfalls erfolglos verlaufenden Gesprächsrunde der Welthandelsorganisation WTO ist (die übrigens auch nach der Hauptstadt Katars, Doha, benannt ist).

Kleinere Gruppen williger Länder

Aber auch abgesehen von den Machtverhältnissen passt das Format nicht, meinen Experten. Denn die Initiatoren seien damals vom Erfolg des Montreal-Protokolls verblendet gewesen: Durch dieses 1987 abgeschlossene Abkommen wurden die Emissionen von Ozon abbauenden Substanzen (aus Kühlschränken oder Spraydosen) erfolgreich eingedämmt. Dieses Modell sei aber auf Klimagase nicht anwendbar, weil der Klimawandel komplizierter ist, viel mehr Einflussfaktoren wirken, völlig getrennte Politikbereiche betroffen sind.

Während die laufenden Klimaverhandlungen weiter diesem wirkungslosen Mechanismus folgen, denken viele Experten über mögliche Alternativen nach. Eine dieser Ideen ist, dass nicht alle 193 Staaten an einem Tisch sitzen, sondern eine kleinere Gruppe von „willigen“ Ländern die Abkommen aushandelt und umsetzt – bei Erfolg können dann andere Staaten diesen Verträgen beitreten. Ein Beispiel, dass das funktionieren kann, gibt es: Das CLTRAP-Abkommen, mit dem europäische Staaten 1979 begannen, ihre Schwefeldioxid-Emissionen zu senken, wurde später um andere Luftschadstoffe erweitert und für weitere Länder, auch außerhalb Europas, zugänglich gemacht. Dem Göteborg-Protokoll traten z.B. auch die USA, Kanada oder Russland bei.

Sektorale Abkommen

Beim CO2-Problem spricht für die Bildung eines kleineren „Carbon Club“, dass 20 Prozent der Staaten für 80 Prozent der Emissionen verantwortlich sind. Das Problem dabei ist freilich, dass die Produktion in Drittstaaten ohne Einschränkungen abwandern könnte – wodurch der CO2-Ausstoß nicht sinken, sondern im Gegenteil sogar steigen könnte (wenn es dort schwächere Umweltauflagen gibt). Durch dieses „Carbon Leakage“ vermindert sich die Wirksamkeit der aktuellen EU-Klimapolitik um rund 40 Prozent. Eine Idee zur Abfederung sind sogenannte „Grenzausgleichszölle“ auf den Import von CO2-intensiven Gütern aus Drittstaaten. Umweltökonomen der Uni Graz haben errechnet, dass durch solche Zölle zwei Drittel des „Carbon Leakage“ verhindert werden könnten. Ob das WTO-konform ist, ist derzeit unklar – die Zölle würden auf jeden Fall Geld in die darbenden Staatskassen spülen.

Ein völlig anders geartete Idee ist die Konzentration auf bestimmte Wirtschaftssektoren („Boutique-Abkommen“). Die weltweite Stahlindustrie z.B. könnte sich wesentlich leichter auf gemeinsame Standards einigen, wenn sie nur ihre eigenen Probleme im Blick hat und weltpolitische Machtfragen dabei keine Rolle spielen. Solange gleiche Bedingungen für alle Akteure einer Branche herrschen, hat niemand gegenüber dem Status quo einen Nachteil. Das größte Problem bei diesem Ansatz ist, dass es in den seltensten Fällen multinationale Organisationen gibt, die solche Gespräche organisieren und die Abmachungen durchsetzen könnten.

Instrumente statt Quoten

Daher vertreten wieder andere Experten die Ansicht, dass man ganz weg von verpflichtenden CO2-Reduktionszielen gehen sollte – die am Ende ohnehin kaum exekutierbar sind. Sondern dass man sich mehr über Mechanismen und Instrumente unterhält, deren Resultat ein Sinken der CO2-Emissionen ist. Zum Beispiel über Änderungen im Patentrecht, wodurch sich der Transfer von umweltfreundlichen Technologien stark erhöhen könnte. Viele Studien belegen, dass mittelfristig ein offenerer Umgang mit geistigen Eigentumsrechten („Open Source“) allen Beteiligten Vorteile bietet. Immer wieder wird von Experten auch eine stärkere Kooperation bei der Forschung als Erfolg versprechender Weg genannt.

Die Konzentration auf Instrumente hätte zwei große Vorteil: Erstens könnte ein Schlussstrich unter die unrühmliche Geschichte der bisherigen Klimaverhandlungen gezogen werden, bei dem niemand sein Gesicht verliert. Und zweitens gibt es vielfach Win-win-Situationen: Wenn z.B. arme Menschen in Afrika Zugang zu modernen Formen von Energie bekommen, dann steigt nicht nur die Energieeffizienz (wodurch der CO2-Ausstoß sinkt), sondern es wird auch das Leben vieler tausender Menschen gerettet, die derzeit wegen einer hohen „Indoor-Luftverschmutzung“ durch das Verbrennen von Dung zum Kochen sterben. Ein anderes Beispiel: Änderungen in der Landnutzung dienen nicht nur dem Klimaschutz, sondern verbessern in vielen Fällen auch die soziale Lage der Landbevölkerung und steigern die Lebensmittelproduktion.

Es kommt vor allem darauf an, wie die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gestaltet werden, um solche Änderungen herbeizuführen. Ein Durchstoßen von Disziplinengrenzen bringt auf jeden Fall Synergien: Forscher des IIASA in Laxenburg haben kürzlich berechnet, dass es um 40 Prozent billiger kommt, wenn man Energiesicherheit, Gesundheit und Klimaschutz simultan durch Maßnahmen optimiert, die in allen drei Bereichen wirken, als jeden Bereich für sich zu optimieren.

Feilschen um Kyoto II

Der einzige konkrete Beschluss der Doha-Klimakonferenz soll die Verlängerung des Kyoto-Abkommens sein. Dieses Abkommen, bei dem sich 1997 an die 40 Industriestaaten zu CO2-Reduktionen verpflichtet haben, tritt Ende 2012 außer Kraft. Damit hängt auch der EU-Handel mit Emissionszertifikaten in der Luft. Europa hat eine Fortführung bis 2020 bereits beschlossen – höchst umstritten ist aber, was mit übrig gebliebenen Zertifikaten aus der ersten Periode geschehen soll. Wegen des Überangebotes ist der Preis zuletzt auf sechs Euro je Tonne CO2 eingebrochen.

In Kyoto II wollen sich nur die EU, Norwegen, die Schweiz und Australien zu Reduktionen verpflichten. Diese Staaten stehen gerade einmal für 14 Prozent der weltweiten Emissionen. Das ist weniger als China (26,2 Prozent) oder die USA (17,6 Prozent).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2012)

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