Klimakonferenz: Mit dem Hammer gegen das Debakel

Reuters (FADI AL-ASSAAD)
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Das Kyoto-Protokoll zur Reduktion der Treibhausgase soll bis 2020 verlängert werden. Die Ergebnisse von Doha sind dennoch mager. Russland und China blockierten die Verhandlungen.

Abdullah bin Hamad Al-Attiyah hat keine Lust mehr, noch einmal die Büchse der Pandora zu öffnen. "Ich habe das jetzt so entschieden", ruft der katarische Präsident des UN-Klimagipfels den Delegierten aus 194 Staaten zu. Er nennt sie "meine lieben Brüder und Schwestern". Der Hammer fällt: Kyoto-Protokoll bis 2020 verlängert. Arbeitsprogramm für den ab 2020 geplanten Weltklimavertrag angenommen. Zusagen für Klimaschutzhilfen in Milliardenhöhe beschlossen. Und während die einen noch staunen, erheben sich Russland und China zum Protest.

"Ich habe viel Zeit. Ich kann hier ein Jahr mit Ihnen sitzen", hatte er noch am Freitag die Delegierten in Doha wissen lassen. Doch dann wurde es Abend und wieder Morgen und wieder Abend. Seine neuen Kompromissvorschläge drohten von Einzelinteressen zerrieben zu werden. Als schon ein Aus für die Verlängerung des Kyoto-Protokolls drohte, weil Russland blockierte, holte Al-Attiyah den Hammer heraus. Er rettete zumindest den Prozess, aber Doha war auch ein Weckruf.

Allianz ist zerfallen

Die EU ist zerstritten und mit der Eurokrise beschäftigt. Eine Allianz mit rund 100 Inselstaaten und Entwicklungsländern, die 2011 in Durban das Ziel eines globalen Klimaschutzabkommens durchgesetzt hatte, ist weitgehend zerfallen. China und die USA blockieren wie eh und je. 194 Staaten bedeutet 194 Klimaschutzeinzelinteressen. Die Erderwärmung steigt, aber die Beschlüsse sind nicht dazu geeignet, die CO2-Emissionen zu begrenzen. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon könnte daher das Thema bald wieder auf die Ebene der Staatschefs hieven, damit es bis 2015 mit dem Gerüst für den Weltklimavertrag klappt. Daher war es auch so wichtig, dass Doha nicht scheitert.

Russland ist verärgert

Der deutsche Umweltminister Peter Altmaier (CDU) meinte, Al-Attiyah habe den Eindruck gehabt, "dass die Abstimmung zu dem Zeitpunkt die Einigkeit der Vertragsstaaten widergespiegelt hat". Übersehen hatte er wohl Russland, es war sehr verärgert und kündigte ein Nachspiel an. Eigentlich gilt das Einstimmigkeitsprinzip, und Entscheidungen fallen nach stundenlanger Aussprache, wo es oft zu neuen Blockaden kommt. Russland hatte bis zuletzt gegen die Kyoto-Verlängerung opponiert.

"Es ist unfassbar"

Umweltschützer sind von dem Ergebnis des Gipfels jedenfalls enttäuscht. Nach Meinung des Klimaexperten Jan Kowalzig von Oxfam hält es die Welt auf Vier-Grad-Kurs, statt die Emissionen so zu senken, dass die Erwärmung auf noch beherrschbare zwei Grad begrenzt werden kann. Zudem sind die Finanzzusagen äußerst vage. "Es ist unfassbar, wie die Regierungen auf diesen Klimakonferenzen vor allem versuchen, nicht den Klimawandel, sondern den Klimaschutz zu vermeiden - auf Kosten der Menschen in den armen Ländern, deren Ernten vertrocknen oder von den Feldern gespült werden", kritisiert Kowalzig.

Höhere EU-Ziele würden Druck machen

In Kyoto II werden vorerst nur Verpflichtungen fortgeführt, die die EU und die zehn weiteren noch mitmachenden Staaten ohnehin schon eingegangen sind. Ein Schritt nach vorn wäre, das EU-Ziel von 20 Prozent weniger Emissionen bis 2020 auf 30 Prozent anzuheben. Auch um ein Signal zu senden, die EU kann noch Vorreiter sein. Alle Staaten, die sich nicht für ein Kyoto II verpflichten (über 150), können bis zu einem Weltklimavertrag weitermachen wie bisher. Aber höhere EU-Ziele würden den Druck auf diese Länder klar erhöhen.

"Beichtstuhlverfahren"

Altmaier will nun verstärkt für die 30 Prozent kämpfen. Dafür muss er zunächst in Deutschland die FDP gewinnen und dann noch das Kohleland Polen, das nur mit Müh und Not von einer Blockade von Kyoto II abgehalten werden konnte. Nach einem für ihn schweren Start in die Konferenz verhandelte er bis zur Erschöpfung. Als nicht mehr viel ging, bestimmte Al-Attiyah Altmaier zu einem Chefunterhändler: Im "Beichtstuhlverfahren" musste der 54-Jährige die Wünsche von vom Untergang bedrohten Inselstaaten und den USA unter einen Hut bekommen. Nach einem der längsten Klimagipfel sagte der von Schlafmangel gezeichnete Minister: "Ich lebe noch."

Russland sitzt auf CO2-Boni

Eine der größte Hypotheken dürfte nach Doha heiße Luft bleiben. Russland ist zwar bei Kyoto II nicht mehr dabei, hatte aber als Gegenleistung für das Mitmachen bei der ersten Periode so geringe Auflagen zur CO2-Ausstoßminderung bekommen, dass es nun auf riesigen Mengen an überschüssigen CO2-Boni ("Heiße Luft") sitzt, die sich im besten Fall als Art Gelddruckmaschine entpuppen könnten.

Da die heiße Luft in Doha nicht eliminiert werden konnte - aber gegen den Wunsch Russlands auch nur unter Auflagen gehandelt werden darf (daher die Blockadehaltung gegen die Verlängerung des Kyoto-Protokolls), droht ein Nullsummenspiel. Greenpeace fürchtet, dass die USA und China die CO2-Boni nach 2020 kräftig einkaufen könnten.

(APA/sda)

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Von China und Indien zu verlangen, sie sollen ihre CO2-Emissionen verringern, ist zynisch.

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