AKW-Referendum in Bulgarien droht Farce zu werden

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Die Wahlbeteiligung über die Zukunft der Atomkraft könnte zu gering ausfallen. Ein Gutteil der Bevölkerung scheint an der Sinnhaftigkeit der Teilnahme zu zweifeln.

Sofia. Stromgewinnung vom Mars sei der „beste und effektivste Weg“ für Bulgarien, sagt der vermeintliche Forscher im weißen Mantel. Man müsste nur ein „Kosmodrom“ auf einem Berggipfel bauen, einen Weltraumbahnhof also, um dem Roten Planeten näher zu sein, hernach Methan in Zisternen nach Bulgarien transportieren und in Strom umwandeln. „Die billigste Energie im ganzen Sonnensystem“, schließt der Mann seinen Vortrag.

Gut möglich, dass die Volksabstimmung über die Zukunft der Atomkraft nicht vorrangig als erstes Referendum seit 1989 in die postsozialistische Geschichte Bulgariens eingehen wird, sondern als reichlich absurde Befragung – und das liegt nicht nur an diesem Werbeclip der oppositionellen Bulgarischen Sozialisten (BSP), die sich als entschiedene Befürworter von Atomkraft präsentieren und mit dem Video des verwirrten Professors ihre Gegner durch den Kakao ziehen. Am Sonntag, den 27.Jänner, sind rund 6,5 Millionen Stimmberechtigte aufgerufen, sich für oder gegen ein neues Kernkraftwerk im Land zu entscheiden, doch Umfragen zeigen, dass ein Gutteil der Bevölkerung an der Sinnhaftigkeit der Teilnahme zweifelt.

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Sozialisten initiierten Votum

Da ist zunächst einmal die unklare Fragestellung der Abstimmung. Das Referendum ist eine Initiative der Sozialistischen Partei, mit dem sie das von ihr verfolgte AKW-Projekt im Donaustädtchen Belene gegen den Willen der Regierung von Premier Bojko Borissow durchsetzen will. Doch hat der Premier, der sich im vergangenen März nach langem Zögern gegen das Projekt aussprach, die Frage verwässern lassen. „Soll die Atomenergiewirtschaft in der Republik Bulgarien durch den Bau eines neuen Atomkraftwerks entwickelt werden?“, steht auf den Stimmzetteln, und in Bulgarien fragt man sich etwa, welches AKW-Projekt gemeint sein könnte: das derzeit gestoppte Bauvorhaben in Belene? Oder das bereits existierende AKW in Kosloduj?

Sollte die Mehrheit der Bulgaren mit „Ja“ stimmen, wäre das zwar ein gehöriger Dämpfer für Borissow, der erst jüngst ein klares „Nein“ als Parole ausgegeben hatte. Selbst ein „Ja“ könnte aber noch immer als Votum für den Ausbau von Kosloduj gedeutet werden. Für den Ausbau eines siebenten Reaktors, angeblich mit amerikanischer Hilfe, hat nämlich auch die Regierung in Sofia Sympathien.

„Nationales Trauma“ Kosloduj

Die wichtige Debatte – wie Bulgarien künftig seine Energieversorgung sicherstellen und sich dabei aus der russischen Abhängigkeit befreien kann – ist schwer überschattet von parteipolitischen Grabenkämpfen. Dass sich Sofia einst für den EU-Beitritt 2007 dazu verpflichten musste, vier Blöcke sowjetischer Bauart in Kosloduj zu schließen, haben vor allem die Sozialisten stets als „nationales Trauma“ dargestellt – und gleichsam als Ausweg ihr Projekt Belene propagiert, das mithilfe des russischen Staatskonzerns „Atomstroiexport“ errichtet werden sollte. Doch neben Bedenken von Umweltschützern wegen des erdbebengefährdeten Standorts war die Rentabilität des Projekts stets umstritten.

Wirtschaftsminister Deljan Dobrew präsentierte nun zu Wochenbeginn angebliche „Geheimpapiere“ des deutschen Konzerns RWE, der bis 2009 als Investor mit an Bord war. Darin wird der Baupreis des AKW Belene auf umgerechnet 11,5 Milliarden Euro beziffert. Die Linksregierung habe die Öffentlichkeit mit einem damals kolportierten Preis von 3,5 Mrd. Euro in die Irre geführt, so Borissow.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „Alpha Research“ vom Mittwoch geben indes 64,1Prozent an, „sicher nicht“ am Referendum teilnehmen zu wollen; nur ein Viertel will „sicher“ wählen. Mehr als zehn Prozent sind noch unentschieden. Bewahrheitet sich diese Prognose, dann hätte das Ergebnis der Befragung keine Gültigkeit – selbst wenn die Befragten in ihrer Mehrheit implizit für das Projekt stimmen würden: Denn es müssten für die nötige Beteiligung von 60 Prozent mindestens 4.345.500 Wähler mitstimmen.

Bedeutsamer als für die atomare Zukunft Bulgariens dürfte das Votum für die politische Zukunft sein: Es könnte ein Test dafür sein, wie stark Regierung bzw. Opposition ihre Lager mobilisieren können angesichts der Parlamentswahl im Sommer. Die Sozialisten liegen nur noch fünf Prozentpunkte hinter der Regierung. Das „Projekt Belene“ könnte ihnen dabei helfen, die Distanz zu verringern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2013)

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