"Wirte geben beim Wasser Lokalrunden aus"

Wirte geben beim Wasser
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Jeder fünfte Wirt verlangt Geld für Leitungswasser. Um den Gästen das Zahlen zu erleichtern, greifen viele Wirte in die Trickkiste. Sie verkaufen "Wunderwasser" und gutes Gewissen.

Wien. „Die Wirte schenken mit beiden Händen gratis Leitungswasser aus“, ärgert sich Alfred Hudler. Und das, obwohl sie wüssten, dass sie dabei auf gehörigen Kosten sitzen bleiben. Dass die Österreicher durchaus bereit sind, auch für Wasser ohne Kohlensäure Geld zu bezahlen, weiß wohl niemand besser als der Vöslauer-Chef. Als erstes Unternehmen in Österreich hat der Getränkekonzern vor 15 Jahren begonnen, Mineralwasser ohne Kohlensäure in Flaschen abzufüllen. Im Vorjahr war in jeder dritten verkauften Vöslauer-Flasche ein mit Leitungswasser vergleichbares Produkt.

Bei den Gastronomen ist dieser Trend noch nicht angekommen. Dort gräbt das Leitungswasser zunehmend dem Mineralwasser den Boden ab. Im Vorjahr war im Café Museum am Wiener Karlsplatz erstmals nicht die Melange der Bestseller. Öfter servierten die Kellner extra bestellte Gläser mit Leitungswasser an die Tische, erzählt Berndt Querfeld, Landtmann-Chef und Obmann der Fachgruppe Wiener Kaffeehäuser. Dass diese Dienstleistung aber auch bezahlt werden muss, werde oft vergessen. „Die Wirte geben bei Wasser immer Lokalrunden aus“, sagt er. „Das ist, als würde ich ab zwanzig Grad gratis Eintritt in alle Freibäder gewähren. Dort ist das Wasser ja schon da, der Bademeister auch. Und ob ich da jetzt reingehe oder nicht, macht doch wirklich keinen Unterschied, oder?“

Ein Euro pro Glas Wasser

Die Problematik ist den Österreichern aber nur schwer zu erklären. Schnell gleitet jeder Ansatz dazu in eine emotionale Debatte über Grundrechte ab. Wobei: Im Gesetz findet sich ein Grundrecht auf Gratiswasser freilich nicht. Wer den Preis in die Karte schreibt, darf auch etwas dafür verlangen.

Genau das tun auch immer mehr Betriebe in Österreich. „Jeder Fünfte verlangt mittlerweile Geld für Leitungswasser“, sagt Thomas Wolf, Vorsitzender des Fachverbands Gastronomie von der Wirtschaftskammer. Für ein großes Glas wird im Schnitt bis zu ein Euro verlangt. Aus Sorge, damit dennoch Kunden zu vergraulen, greifen immer mehr Gastronomen in die Trickkiste. Sie verkaufen nicht mehr Wasser allein, sondern auch noch „Energetisierung“ oder gutes Gewissen dazu.

So haben sich im Vorjahr etwa 14 Betriebe zur „Aktion Wasserspende“ zusammengefunden. Sie verlangen von ihren Gästen seither Geld für Leitungswasser und finanzieren mit einem Teil des zusätzlichen Gewinns Wasserprojekte. Ein erster Brunnen in Sierra Leone ist schon gebaut. Allzu groß dürfte der Erfolg aber nicht gewesen sein, denn heuer wurde das Projekt neu aufgesetzt. Künftig zahlen die Gastronomen einen fixen Betrag pro Sitzplatz an das Rote Kreuz, das wiederum Wasserprojekte finanziert. Ob sie ihre Gäste für Leitungswasser zahlen lassen oder nicht, bleibt aber ihnen überlassen.

Gäste im Traditionsvorteil

Andere suchen den Mehrwert für ihre Wasserkunden in anderen Sphären. Wer in Kolariks Luftburg im Prater Wasser bestellt, bekommt die Energetisierung gleich mitgeliefert. 90 Cent kostet ein großes Glas Granderwasser. Die Geschichte dazu ist schnell erzählt: Der Tiroler Johann Grander begann nach einer Jesus-Erscheinung Metallapparaturen zur Belebung des Wassers zu verkaufen. Von der Wissenschaft angezweifelt, sind seine Produkte dennoch Verkaufsschlager. Geschätzter Umsatz: zwölf Millionen Euro im Jahr.

Berndt Querfeld hält von den Versuchen seiner Kollegen herzlich wenig. „Es ist doch komisch, dass wir jetzt damit beginnen, unseren Gästen Wasser um jeden Preis schmackhaft zu machen“, sagt er. „Es würde doch auch niemand auf die Idee kommen, ein Soda Zitron mit Granderwasser zu bestellen.“ Doch die Gäste sehen sich im „Traditionsvorteil“, und viele Gastronomen scheuen den Konflikt mit ihren Kunden. Berndt Querfeld ist da übrigens keine Ausnahme: In seinen Lokalen ist Leitungswasser gratis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2013)

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