EU-Parlament lehnt Reform des CO2-Handels ab

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Der Vorschlag, Verschmutzungsrechte künstlich zu verteuern, wurde im EU-Parlament abgelehnt. Der Preis ist zuletzt auf 2,6 Euro gefallen.

Das EU-Parlament hat am Dienstag dem Handel mit CO2-Zertifikaten, die zum Ausstoß von Treibhausgasen berechtigen, einen Dämpfer versetzt. Das Plenum der Abgeordneten lehnte es mit 334 zu 315 Stimmen (63 Enthaltungen) ab, die Zahl der Zertifikate um gut 900.000 Tonnen zu reduzieren. Das hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, um den aktuellen Preisverfall zu stoppen. Zugleich forderten die EU-Abgeordneten weitere Verhandlungen über die Maßnahme.

Dennoch will sich der irische EU-Vorsitz um eine Vereinbarung zwischen EU-Mitgliedsländern und EU-Parlament bemühen, um die Zahl der Verschmutzungsrechte zu reduzieren und den Preis wieder auf ein Niveau zu treiben, der für die Unternehmen spürbar ist. Das Instrument war dazu gedacht, den Ausstoß von Treibhausgasen zu steuern. Inzwischen sind diese Zertifikate aber so billig, dass selbst die Stromerzeugung mit Kohle noch rentabel ist. Nach der heutigen Entscheidung der Parlamentarier fiel der Preis für eine Tonne CO2 noch einmal um 40 Prozent auf etwa 2,6 Euro - die EU-Kommission hatte mit 20 bis 30 Euro je Tonne gerechnet. Im Sog dieser Entwicklung fiel auch der Strompreis auf den tiefsten Stand seit Juni 2005.

Entscheidung nicht endgültig

Die Entscheidung des EU-Parlaments ist noch nicht endgültig, zunächst ist der zuständige Ausschuss wieder an der Reihe, den Gesetzesentwurf zu bearbeiten. Die EU-Kommission hält sich vorerst zurück. Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard will auf die EU-Mitgliedsländer warten, unter denen eine Mehrheit für die Verringerung der Zertifikate ist. Größter Gegner einer Reduktion ist Polen, dessen Stromversorgung auf billigen Kohlekraftwerken aufbaut.

Im EU-Parlament haben Sozialdemokraten, Grüne und Linke für das "Backloading" genannte Verfahren gestimmt, von 2013 bis 2015 die Zertifikate um 900 Millionen t zu reduzieren. Konservative und Liberale waren dagegen.

EU-weit brauchen rund 12.000 Industrie- und Energieunternehmen CO2-Zertifikate für ihre Produktion. Diese werden zunächst von den Regierungen frei zugeteilt, danach müssen sie in Auktionen gekauft werden. Firmen, die mehr Treibhausgas produzieren, müssen Zertikate kaufen. Da aber derzeit etwa 1,7 Mrd. solcher "Verschmutzungsrechte" zu viel am Markt sind, ist der Preis zu niedrig, um Steuerungseffekte auszulösen.

Mitterlehner: "Sehr schwieriges Thema"

In Österreich meinte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner zur Entscheidung in Brüssel, "das zeigt, dass es ein sehr schwieriges Thema ist und das Parlament die Sorgen um den Industriestandort teilt". Grundsätzlich hat Mitterlehner Verständnis für die Reduktion signalisiert, falls garantiert sei, dass die Zertifikate bei einer Konjunkturerholung wieder auf den Markt kommen.

Die Wirtschaftskammer Österreich begrüßte den Schritt des EU-Parlaments als "Entscheidung mit Augenmaß". Das sei "ein klares Bekenntnis für den Wirtschaftsstandort Europa", so Stephan Schwarzer, Leiter der umweltpolitischen Abteilung in der Wirtschaftskammer Österreich. Auch für IV-Präsident Christoph Neumayer ist es ein "wichtiges Signal für Investitionssicherheit für Industrieanlagen in Europa". Die ÖVP-Europaabgeordneten Richard Seeber und Paul Rübig meinen, die Ablehnung sei richtig. "Viel Spielraum für einen neuen Kompromiss sehen wir aber nicht. Die künstliche Verteuerung von Energie ist in der aktuellen Wirtschaftslage sicher das falsche Signal." Letzte Berechnungen würden zeigen, dass die EU die geplante Reduzierung von CO2 bis 2020 um 21 Prozent voraussichtlich erreichen wird.

Kritik: "EU geht vor Industrie in die Knie"

Ganz anders reagierten wenig überraschend die Umweltorganisationen Greenpeace und Global 2000. "Das EU-Parlament ist vor den unsachlichen Argumenten und der Angstmache der Industrie in die Knie gegangen. Das Emissionshandelssystem wird damit über 2020 hinaus keinen Impuls mehr für Klimaschutz setzen und völlig unwirksam bleiben", schreibt Johannes Wahlmüller, Klimasprecher bei GLOBAL 2000, in einer gemeinsamen Aussendung. Hauptprofiteur sei die europäische Kohleindustrie. Nun seien nationale Regelungen nötig. "Österreich muss nun eigenständig Maßnahmen zur CO2-Reduktion setzen, um das derzeitige Vakuum zu füllen. Die Einführung einer CO2-Steuer sowie ein konkreter Plan zum Auslaufen von Kohlekraftwerken sind Schritte, die Österreich jetzt im Alleingang umsetzen muss", fordert Julia Kerschbaumsteiner, Klimasprecherin bei Greenpeace.

(APA)

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