Wie viel Energie wir brauchen

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Der Energiebedarf eines durchschnittlichen Europäers hat sich seit der Steinzeit mehr als verzehnfacht. Praktisch alle Kulturleistungen basieren darauf, dass ausreichend Energie bereitsteht.

Energetisch gesehen entspricht der Mensch einer 100-Watt-Glühbirne. Zum Überleben benötigt unser Körper im Ruhezustand pro Tag also 2,4 Kilowattstunden (kWh), die durch Nahrung mit knapp 2100 Kilokalorien Energiegehalt geliefert werden (mit einer Schwankungsbreite je nach Geschlecht, Größe und Alter von 1800 bis 3100 kcal). Diese Energie kommt im Endeffekt von der Sonne: Als tierisches Lebewesen ist der Mensch auf die Fotosyntheseleistung von Pflanzen angewiesen, die Sonnenenergie einfangen und in Biomasse binden.

Zu Beginn der Menschheitsgeschichte blieb den Fischern, Jägern und Sammlern nichts anderes übrig, als sich in die bestehenden Energieflüsse in der Natur einzuklinken. Die erste zusätzliche Energiequelle erschloss sich schon unser Vorfahr, der Homo erectus, durch die „Erfindung“ des Feuers. Dadurch stieg, so schätzen Umwelthistoriker, der durchschnittliche Energiekonsum eines Menschen auf rund zehn kWh pro Tag.

Wie man Sonne „erntet“

Dabei blieb der Mensch freilich weiterhin den natürlichen Kreisläufen ausgeliefert, er konnte die Umwandlung der Sonnenenergie nicht steuern. Das änderte sich durch die Landwirtschaft: Die ersten Bauern lernten, durch den gezielten Anbau von Feldfrüchten aktiv die Sonne zu „ernten“. Landwirtschaft kann auch so interpretiert werden, dass Energie (in Form von tierischer und menschlicher Arbeit) dafür eingesetzt wird, mehr Energie bzw. Nahrung zu erzeugen.

Der Energiekonsum in Agrargesellschaften (in kühleren Breiten) wird auf 50 kWh pro Kopf und Tag geschätzt. Ein großer Teil der zusätzlich verfügbaren Energie floss in die Tierzucht: Ein Drittel der Ernte wurde als Futter verwendet – die Energie für die Mobilität (Pferde, Ochsen) kam damals selbstverständlich vom Acker. Zudem ließ die Erfindung von Eisen und Bronze den Energiebedarf in die Höhe schnellen. Oder umgekehrt formuliert: Ohne ausreichende Energiequellen wäre der Fortschritt von der Steinzeit zu den Metallzeiten nicht möglich gewesen.

Explosion durch Kohle & Co.

Mit dem Steigen der Bevölkerungszahl wuchs auch der Energiebedarf stetig. Das war so lange kein Problem, als es unbesiedelte Gegenden gab: Mehr und mehr Wälder wurden abgeholzt – einerseits, um Baumaterial und Energieträger zu gewinnen, andererseits, um die Anbauflächen auszuweiten. Zwischen den Jahren 900 und 1900 wurde rund die Hälfte aller mitteleuropäischen Wälder gerodet. Die Folge: In Europa wurde Energie zunehmend knapp – und daran änderte auch die Erfindung von Wasserrädern und Windmühlen kaum etwas.

Zu einer regelrechten Explosion des Energieeinsatzes kam es ab dem Jahr 1800 in der industriellen Revolution: Die frühen Dampfmaschinen erbrachten eine Leistung von 100.000 Watt – für damalige Verhältnisse ungeheuer viel, heute entspricht das einem besseren Auto. So große Energiemengen konnte man nur durch fossile Energieträger aufbringen: Die Förderung von Kohle wuchs rapide, das „fossile Zeitalter“ war eingeläutet. Durch Erdöl und Erdgas wurde die Bereitstellung großer Energiemengen noch einfacher – möglich wurden dadurch die chemische Industrie, die Elektrizitätswirtschaft oder die Automobilität. Also alles, was unseren materiellen Lebensstandard ausmacht.

In den europäischen Industrieländern verbraucht jeder Einwohner täglich um die 130 kWh Energie. Das ist fast dreimal so viel wie in Agrargesellschaften und mehr als 50-mal so viel, wie der Mensch – rein physiologisch – zum Überleben brauchte.

Der weltweite Energieeinsatz stieg freilich viel stärker, denn die Weltbevölkerung hat sich in den vergangenen 200 Jahren ungefähr verachtfacht. Nicht vergessen werden darf, dass die globalen Unterschiede gewaltig sind: In Indien oder Afrika (wo kaum geheizt werden muss) konsumiert jeder Mensch rund 20 kWh Energie pro Tag, in China sind es knapp 50, in den USA hingegen 250.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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