Blamage: Österreich ist Klima-Schlusslicht

(c) AP (Frank Augstein)
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Österreich ist derzeit das einzige Land der EU, das die Kyoto-Ziele verfehlen wird. In Summe sinken die europäischen CO2-Emissionen deutlich stärker als geplant.

BRÜSSEL/WIEN. Kein guter Tag für die heimische Klimapolitik: Österreich ist laut einer gestern veröffentlichten EU-Studie derzeit das einzige Land Europas (EU-15), das die Kyoto-Ziele zum Klimaschutz nicht erreicht. Österreich hatte sich dazu verpflichtet, den Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2012 um 13 Prozent unter den Wert von 1990 zu reduzieren. In der Realität liegt Österreich aber um 11,3 Prozent darüber – das macht in Summe eine Abweichung vom Kyoto-Ziel um 27 Prozent.

Dieses Schicksal teilt Österreich mit zehn weiteren EU-Ländern. Doch all diese Staaten kaufen zum Ausgleich massiv Emissionsrechte aus dem Ausland zu und erreichen dadurch ihre Kyoto-Ziele. Solche CO2-Zertifikate entstehen etwa bei der Modernisierung von Kraftwerken in Schwellen- und Entwicklungsländern, wenn dabei die Emissionen sinken. Anders Österreich: Die derzeitigen Pläne für Zukäufe von CO2-Zertifikaten reichen bei Weitem nicht aus. Dadurch rutschte Österreich abgeschlagen auf den letzten Platz.

Der Hauptgrund dafür reicht weit zurück: Bei den Verhandlungen des Kyoto-Protokolls 1997 saß die Politik einer Fehleinschätzung der Möglichkeiten auf. Der damalige Umweltminister Martin Bartenstein setzte – gestützt auf einen Parlamentsbeschluss – sehr hehre Ziele. Österreichs Wirtschaft arbeitete schon damals vergleichsweise energieeffizient. Umso schwieriger ist es, die CO2-Emissionen noch weiter zu senken.

Bartensteins Amtsnachfolger Wilhelm Molterer und Josef Pröll (alle ÖVP) hechelten dem Kyoto-Ziel hinterher, schon bald zeigte sich aber, dass die ambitionierte österreichische Klimastrategie nicht umsetzbar ist. Vor allem in den Bereichen Verkehr, Raumwärme, Energiegewinnung und Industrie stieg der CO2-Ausstoß weiter. Die Umweltpolitik konnte sich unter dem Strich nicht durchsetzen: Die meisten Vorstöße verliefen im Sand, zudem sind die Kompetenzen zersplittert. Für den Wohnbau – bei dem durch bessere Wärmedämmung sehr viel CO2 eingespart werden könnte – sind die Bundesländer zuständig. Erst in den letzten Jahren flachte der Anstieg der CO2-Emissionen ab bzw. ging sogar leicht zurück. Ein Hauptgrund dafür waren allerdings die milden Winter, in denen weniger Heizöl verfeuert wurde.

Der jetzige Umweltminister Niki Berlakovich (ebenfalls ÖVP) hat die Misere auszubaden. Er will die Verhandlungen über ein Bundesklimaschutzgesetz wieder aufnehmen, in dem alle Gebietskörperschaften in die Pflicht genommen werden sollen. Wer seine Teilziele nicht erreicht, soll mitzahlen. Die Abweichung vom Kyoto-Ziel – abgerechnet wird im Jahr 2012 – kostet viel Geld. Experten rechnen mit „Strafzahlungen“ von bis zu einer Milliarde Euro. Schon jetzt belastet der Klimaschutz das Budget: Bis zum Jahr 2012 gibt Österreich 513 Millionen Euro für den Zukauf von CO2-Emissionsrechten aus. Dadurch sollen 36 Prozent der Reduktionsverpflichtung ausgeglichen werden. Eine Aufstockung ist derzeit laut Umweltministerium nicht vorgesehen. Eine Sprecherin betonte, dass das CO2 im Inland – vor allem im Verkehr, bei der Raumwärme und in Teilen der Industrie – eingespart werden soll. „Man kann nicht alles zukaufen.“

In Summe erreicht die EU ihr Kyoto-Ziel locker: Geplant war eine Reduktion um acht Prozent, laut der Studie könnte der CO2-Ausstoß um 13Prozent niedriger sein als 1990. Nur teilweise eingerechnet ist die Wirtschaftskrise, durch die die CO2-Emissionen niedriger sind. Ob diese Daten verlässlich sind – sie beruhen auf der Selbsteinschätzung der Staaten –, bleibt abzuwarten. Die EU will sich jedenfalls vor der UN-Weltklimakonferenz im Dezember in Kopenhagen als Vorreiter präsentieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2009)

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