Klimakonferenz: Werte und Ressourcen

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Die Ethik ist gefragt wie selten zuvor: Bei der UN-Klimakonferenz rücken Fragen der Nachhaltigkeit und der Gerechtigkeit in den Vordergrund.

Wenn ein Ethiker über Ressourcen nachdenkt, dann geht er weit über das hinaus, was der Laie darüber denkt. Letzterer fragt sich, ob es gut und richtig ist, dass wir natürliche Rohstoffe ausbeuten, Wasser und Luft verpesten, ohne Rücksicht auf Mitmenschen und künftige Generationen zu nehmen. Für den Ethiker greift diese Betrachtungsweise zu kurz. Denn es gebe zusätzlich noch Ressourcen zweiter Ordnung, die man braucht, um die Ressourcen erster Ordnung überhaupt nutzen und verteilen zu können (etwa Einstellungen, Bildung oder Wissen), erläutert Clemens Sedmak. Er ist Ethiker, Theologe und Soziologe, ehemaliger START-Preisträger, nun Professor für Sozialethik am King's College London und Leiter des Zentrums für Ethik und Armutsforschung in Salzburg. „Wenn die Ressourcen erster Ordnung knapp werden, dann werden die Ressourcen zweiter Ordnung immer wichtiger“, sagt er. Das klingt ziemlich theoretisch, man kann es auch einfacher formulieren: „Wenn Ressourcen knapper werden, können wir uns den Luxus der Dummheit nicht mehr erlauben.“


Sich selbst im anderen sehen. Solche Überlegungen rücken immer mehr ins Zentrum, wenn alle Welt über Nachhaltigkeit, Verantwortung und Gerechtigkeit zwischen Generationen spricht – wie derzeit bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Der befürchtete Klimawandel bringt große Risken für manche Entwicklungsländer und künftige Generationen mit sich, die wir heute durch Maßnahmen, die uns treffen, vielleicht verhindern könnten.

„Die Verantwortung für künftige Generationen wird in der Ethik immer stärker verankert“, erläutert Sedmak. Zur Illustration der Probleme zitiert er den öffentlichen Briefwechsel zwischen Kardinal Martini und Umberto Eco, in dem der Kirchenmann den Nichtgläubigen fragt, was ihn moralisch motiviere – Eco antwortet, dass er sich selbst im anderen sehe. „Das ist schon schwer genug, wenn man andere Menschen sieht, aber noch viel schwieriger bei Menschen, die erst im Jahr 2100 geboren werden.“


„Das Ganze“ als Begründung. Für religiöse Menschen ist dieses Dilemma noch halbwegs auflösbar – durch eine in Gottesglauben begründete Verantwortung für die Schöpfung. Aber sonst? Hilft vielleicht der Begriff „Nachhaltigkeit“ – dass andere keine schlechteren Voraussetzungen vorfinden sollen – weiter? „Nachhaltigkeit ist, ähnlich wie Konstanz, kein Wert an sich“, sagt der Ethiker. Denn der Begriff sei ambivalent. „Soll man etwa auch schlechte Dinge prolongieren?“ Andererseits: „Wenn Biobauern sagen, dass sie in Generationen denken, dann ist das auch eine Methode, um Sinn im Leben zu finden: durch die Einbettung in ein Ganzes.“ Dieses „Ganze“ spielt eine große Rolle in der Begründung des Begriffes Verantwortung – zumindest, wenn man ihn nicht religiös begründen will. „Die Einbettung in ein Ganzes kann ohne religiöse Momente – etwa, dass der Mensch die ,Krone der Schöpfung‘ sei – sogar einfacher sein.“

Sedmak beobachtet, dass sich die Werte derzeit deutlich verschieben – weg von einer anthropozentrischen und hin zu einer biozentrischen Sicht. So gebe es zum Beispiel eine Tendenz dazu, dass der ökologische Fußabdruck zu einem Wert an sich werde. „Ich frage mich, ob das ausreicht, oder ob das nicht durch soziale Aspekte ergänzt werden sollte.“ Denn: „Ein kluger Mensch isoliert ein Problem nicht.“ Sorgen bereitet Sedmak jedenfalls, wie sich die Debatte entwickle. „Man sieht wenig Interesse an der Gemeinschaft.“

Umweltaktivisten fordern, dass wir unseren Lebensstil ändern müssen. Sedmak meint, dass man dabei zwei Begriffe unterscheiden müsse: Lebensstandard und Lebensqualität. „Die Frage ist, wie man den Lebensstandard reduzieren kann, ohne an Lebensqualität zu verlieren.“ Die Wissenschaft kann nur wenig beitragen, denn Reduktionsforschung gebe es nur sehr wenig. Beim Umgang mit Ressourcen ist das aber offensichtlich wichtig. „Da sehe ich eine riesige Dringlichkeit, aber nur eine geringe Bereitschaft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2009)

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