Kommt (Forschungs-)Klimawandel?

Kommt ForschungsKlimawandel
Kommt ForschungsKlimawandel(c) AP (Lou Dematteis)
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Vor einem Jahr geriet die Klimaforschung durch gehackte E-Mails in das trübe Licht von „Climategate“. Sie hat es bis heute nicht viel heller gemacht.

Der November ist lau, aber vom Klima redet keiner. Das liegt nicht nur an anderen Sorgen, sondern auch daran, dass vor exakt einem Jahr der Klimawandel bzw. das Vertrauen in die, die ihn prognostizieren, ins Wanken kam: Am 19. November 2009 publizierten Hacker 1000 E-Mails, die sie vom Computer der Climate Research Unit (CRU) der University of East Anglia gestohlen hatten. Die warfen ein trübes Licht vor allem auf einen CRU-Mitarbeiter, Phil Jones. Der feierte in einem Mail den Tod eines Erwärmungs-Skeptikers, in einem zweiten war von einem „Trick“ beim Daten-Interpretieren die Rede. Und oft schrieb er, er habe sich ins Zeug gelegt („went to town“): Das tat er immer dann, wenn er als „peer reviewer“ Arbeiten anderer begutachtete und die Publikation verhindern wollte.

Die Medien fanden einen griffigen Namen: „Climategate“ (in Anlehnung an „Watergate“, bei dem gestohlene Dokumente zum Rücktritt von US-Präsident Nixon führten). Und Jones selbst fand in seiner Mailbox böse Post, bis zu Todesdrohungen („Someone, somewhere will hunt you down“) . Er verfiel, dachte an Selbstmord, verteidigte sich nicht bzw. ungeschickt und erhielt zwar privat, öffentlich aber kaum Beistand von Kollegen.

Im Januar 2010 kam der nächste Schlag für die Klimaforschung: Der UNO-Klimabeirat IPCC, für den Jones ein wichtiger Datenlieferant war, kam durch Fehlprognosen ins Gerede, vor allem durch eine im Bericht 2007: „Bis 2035 und vielleicht früher“ seien die Himalayagletscher weg. Daran stimmte kein Wort, aber auch das IPCC bzw. sein Chef, Rajendra Pachauri, verteidigte sich ungeschickt – und hat den Fehler im Bericht bis heute nicht korrigiert. Das Vertrauen litt weiter, der öffentliche Druck stieg, Untersuchungskommissionen gingen an die Arbeit.

„Verfehlen der Offenheit“

In Großbritannien gab es mehrere, sie entlasteten Jones und Kollegen, es gäbe keinen Grund, an ihrer „Ehrlichkeit und Integrität“ zu zweifeln. Aber in ihrem Verhalten habe sich Kritikwürdiges gezeigt, ein „dauerhaftes Muster des Verfehlens des richtigen Grades der Offenheit“: Die Forscher hatten Daten teils vernichtet, teils nicht herausgegeben, wenn Anfragen von Skeptikern kamen.

Jones verteidigt das heute damit, es habe zu viele Anfragen gegeben, und beim DatenVernichten sei wohl „Draufgängertum“ im Spiel gewesen, man habe gedacht, was nicht da sei, könne man auch nicht herausgeben (Nature 468, S.362). Im dritten Punkt muss er sich erst gar nicht verteidigen, in dem des Unterdrückens missliebiger Befunde („went to town“): Er konnte die Untersucher überzeugen, dass es im „peer review“ nicht zugeht wie im Nonnenkloster. Ausgerechnet in diesem Punkt folgt ihm Nature in einem Editorial zum Jahrestag, das sich zunächst sorgt, durch Climategate sei die „Reputation nicht nur der Klimaforschung, sondern der Wissenschaft insgesamt beschädigt“ worden.

Wie kann man sie heilen? Nature titelt programmatisch – „Closing the Climategate“ – und empfiehlt weitere Selbstdemontage, beim peer review. Das Publikum mache sich ein sonniges Bild davon, es halte ihn für den „Goldstandard“. Aber jeder „Veteran“ des Verfahrens wisse, wie grob es zugehe unter peers – Reviewer sind meist Konkurrenten der Reviewten, da wird viel unterdrückt bzw. verzögert –, das möge man offenlegen, „die Mängel der Qualitätskontrolle“. Dann werde das verspielte Vertrauen zurückkehren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2010)

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