Klima-Beschlüsse bringen keine Lösungen

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Das Ergebnis der UN-Klimakonferenz in Cancún zeigt, dass das Konsensprinzip der UNO kaum für eine Neugestaltung der weltweiten Klimapolitik geeignet ist. Konkrete Beschlüsse waren in Cancún wie erwartet rar.

Cancún/Wien. Zweckoptimismus ist selten eine solide Basis für eine realistische Einschätzung. Das Ergebnis des UN-Klimagipfels in Cancún sei eine „historische Einigung“, sagte Christiana Figueres, die Chefin des UN-Klimasekretariats. Und die mexikanische Außenministerin Patricia Espinosa, die den Vorsitz führte, sprach von einer „neuen Ära der internationalen Zusammenarbeit gegen den Klimawandel“. Viel realistischer ist da die Einschätzung von Österreichs Umweltminister Niki Berlakovich (ÖVP), der das Ergebnis als „Zeichen von Hoffnung und Zuversicht“ wertete.

Konkrete Beschlüsse waren in Cancún wie erwartet rar. In einer turbulenten Nachtsitzung hat der mexikanische Vorsitz aber immerhin ein Paket von 26 Papieren – die „Cancún Agreements“ – zur Beschlussreife gebracht. Lediglich Bolivien versagte seine Zustimmung. Diese Beschlüsse sind zwar kein völkerrechtlich bindender Vertrag, aber sie sind eine Basis für die nächste UN-Klimakonferenz in Durban (Südafrika).

Dissens bei zentralen Punkten

Konkret beschlossen wurde die Einrichtung eines „Green Climate Funds“ als Hilfe für Entwicklungsländer, der bis 2020 mit jährlich 100 Milliarden Dollar ausgestattet werden soll. Geeinigt hat man sich weiters auf ein Gremium, das den Transfer energieeffizienter Technologien in die Dritte Welt erleichtern soll; wie das gehen soll, ist aber noch völlig unklar. Beim Schutz der Tropenwälder vor Abholzung sollen in einem ersten Schritt die betroffenen Länder selbst nationale Strategien erarbeiten.

Bei allen anderen Punkten blieb aber Dissens. So hat sich China in seiner Ablehnung der internationalen Überprüfung der nationalen Klimapolitik durchgesetzt. Die Staaten müssen künftig zwar den Fortschritt laut einem standardisierten Schema dokumentieren und berichten, allerdings ohne dass dadurch in die „nationale Souveränität“ eingegriffen wird – und ohne Sanktionen. Auch die Zukunft des Kyoto-Protokolls, das knapp 40 Industrieländer zu einer Reduktion der CO2-Emissionen verpflichtet und 2012 ausläuft, ist völlig offen. In Cancún beschlossen wurde lediglich, dass man einen Nachfolgevertrag „so früh wie möglich“ beschließen wolle, damit keine „zeitliche Lücke“ entstehe. Der Kyoto-Vertrag ist die Basis für das CO2-Handelssystem der EU; die Industrie weiß daher nicht, wie es ab 2013 weitergeht.

Neben den Inhalten ist auch ein prozeduraler Aspekt wichtig. Der rechtlich unverbindliche „Copenhagen Accord“, der im Vorjahr von 140 Staaten beschlossen worden war, wurde in Cancún in offizielle Bahnen zurückgeleitet: in die UN-Klimarahmenkonvention und das Kyoto-Protokoll. Somit findet sich nun erstmals das Ziel, die Erwärmung seit 1850 mit zwei Grad zu begrenzen, in einem offiziellen UN-Dokument.

Arme gegen reiche Länder

Allerdings muss man sich fragen, ob das gescheit war – ob also die UNO wirklich das richtige Vehikel für die globale Klimapolitik ist. Denn bei der UNO herrscht grundsätzlich das Konsensprinzip; ein einziger Staat, der nicht zustimmt, kann daher einen Vertrag kippen. Durch diesen Mechanismus wird die Klimapolitik zudem zu einem Spielball der allgemeinen Weltpolitik, etwa den Spannungen zwischen USA und China.

Diese Einsicht, zu der man schon im Vorjahr in Kopenhagen kommen musste, wurde nun in Cancún noch verstärkt. Die Interessengegensätze zwischen reichen und armen Staaten sind jedenfalls groß und werden immer größer: Schwellen- und Entwicklungsländer pochen auf eine „historische Verantwortung“ der Industrieländer, die beim Klimaschutz vorangehen müssten. Sie wollen ihren eigenen Aufholprozess durch Verpflichtungen zu CO2-Emissionsreduktionen nicht gefährden.

Andererseits führt offenbar kein Weg an einem umfassenden internationalen Klimavertrag vorbei. Die bisher von den Staaten gemeldeten freiwilligen Klimaschutzmaßnahmen reichen bei weitem nicht aus, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Sie umfassen lediglich 60 Prozent der dafür nötigen CO2-Einsparungen. Oder anders ausgedrückt: Wenn alle Staaten ihre derzeitigen Pläne umsetzen würden – was freilich ohne äußeren Zwang durch einen verbindlichen Vertrag fraglich ist –, dann würde die globale Temperatur um 3,6 Grad steigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2010)

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