Die Suche nach einem Loch für den radioaktiven Müll

(c) EPA (FRANK LEONHARDT)
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Weltweit gibt es noch kein einziges Endlager für den Abfall, der in Kernkraftwerken entsteht. Laut jüngsten Forschungen ist es allerdings auch noch zu früh, den Atommüll schon jetzt unter der Erde zu vergraben.

Wien. Das Risiko von atomaren Katastrophen wie in Fukushima wird von Kernkraft-Kritikern als wichtigstes Argument für einen Ausstieg aus der Atomkraft genannt. Doch es gibt auch abseits dieser akuten Bedrohungen ein ungelöstes Problem: die Endlagerung des atomaren Abfalls.

Zwei bis drei Kubikmeter hochradioaktiven Atommülls fallen pro Jahr und Kraftwerk im Schnitt an. Etwa 8000 Kubikmeter davon stehen in diversen Zwischenlagern in ganz Europa bereits herum. Endlager gibt es bisher noch keines, weder in Europa noch sonst irgendwo auf der Welt. Allerdings sind verschiedenste Anlagen bereits seit Längerem in Planung oder sogar in Bau.

Das erste Endlager wird voraussichtlich ab 2020 im finnischen Onkalo seinen Betrieb aufnehmen. Dafür werden ein paar hundert Meter unter der Erdoberfläche Kavernen in eine feste Gesteinsschicht aus Granit gesprengt.

Drei Milliarden Euro soll die Errichtung kosten. Über einen Zeitraum von 100 Jahren soll der Atommüll aus den finnischen Atomreaktoren in dem Lager Platz finden. Dann soll es für immer verschlossen werden. Denn der radioaktive Müll wird noch hunderttausende Jahre weiter strahlen.

Salz als natürliche Isolierschicht

Ähnliche Projekte sind in Frankreich oder Belgien geplant. Dort setzen die Nukleartechniker jedoch auf Tonschichten, die vor Jahrmillionen aus den Sedimenten urzeitlicher Seen und Meere entstanden sind. In Deutschland wiederum soll der Abfall der Reaktoren in einem Salzstock im niedersächsischen Gorleben seine letzte Ruhe finden. Das Salz, das im Laufe von Jahrzehnten über die Behälter mit dem Atommüll förmlich „drüberwächst“, soll als eine Art natürliche Isolierschicht dienen.

Entscheidend bei allen Projekten ist, dass die Geologie der Endlagerstätten stabil bleibt und es vor allem keinen Einbruch von Wasser in das Lager gibt. Dies auf Jahrhunderte vorherzusehen, sei jedoch unmöglich, sagen Kritiker.

Als Negativbeispiel wird dabei das ehemalige Salzbergwerk Asse in Deutschland genannt, in dem bereits in der Vergangenheit radioaktiver Müll gelagert wurde.

Inzwischen haben unterirdische Bäche ihren Weg in das Bergwerk gefunden. Die so entstandene Salzlauge hat in der Folge bei den metallischen Fässern zu Korrosion und einem Austritt der Radioaktivität geführt. Nun besteht die Sorge, dass die radioaktive Salzlauge weiterfließen und schlussendlich das Grundwasser in der Gegend kontaminieren könnte.

Energie aus Atommüll

In jüngster Zeit wurden jedoch vermehrt Stimmen laut, wonach es gar nicht sinnvoll sei, den Atommüll bereits in Endlager zu bringen.

Der Grund dafür sind jüngste Forschungen im Bereich der „Transmutation“. Damit wird eine Technik bezeichnet, bei der – vereinfacht gesagt – hochradioaktiver Atommüll in einem Teilchenbeschleuniger mit Neutronen beschossen wird.

Dabei entsteht nicht nur Energie, die wieder zur Stromgewinnung verwendet werden kann, der Atommüll „verwandelt“ sich auch in wesentlich schwächer strahlende Elemente, deren Halbwertszeit statt über hunderttausend Jahre unter 500 Jahre beträgt.

Die Technologie wurde bereits erfolgreich angewandt, bisher aber nur im Labormaßstab. Ende des Vorjahres hat die EU daher beschlossen, im belgischen Mol eine Demonstrationsanlage für die großtechnische Anwendung der Transmutation zu errichten.

Forscher erwarten, in 20 Jahren sämtliche derzeit bekannten Probleme mit dieser Technologie gelöst zu haben. Und auch wenn bis dahin der Ausstieg aus der Atomkraft in Europa vollzogen ist, gibt es für solche Anlagen sicherlich genug Bedarf, den bereits vorhandenen Atommüll „aufzuräumen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2011)

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