Entwicklungshilfe: Wasseraufbereitung mit Lowtech

(c) EPA (Kim Ludbrook)
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Der Genuss von verunreinigtem Trinkwasser ist der Hauptgrund für eine Vielzahl von Krankheiten in der Dritten Welt. Unkonventionelle Projekte von Hilfsorganisationen setzen ihren Fokus auf Hilfe zur Selbsthilfe.

Laut WHO haben weltweit mehr als eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, jährlich sterben rund 1,9 Millionen an Krankheiten, die durch den Genuss von verunreinigtem Wasser hervorgerufen werden. Für eine bessere Versorgung müssten in großem Stil neue Trinkwasserquellen erschlossen, bestehende geschützt, angemessene Abwassersysteme und sanitäre Einrichtungen geschaffen werden – alles Maßnahmen, die sich gerade die ärmsten Ländern oft nicht leisten können. Die Hilfsorganisationen richten ihren Fokus daher verstärkt auf kleine Projekte, die mit unkonventionellen Mitteln wenn schon nicht eine Lösung des Problems, so doch eine gewisse Grundversorgung der Bevölkerung gewährleisten sollen.

Solare Wasserdesinfektion

Ein solches nennt sich „Sodis“ (Solar Water Disinfektion), das auf einer bestechend simplen Idee basiert: Eine mit Wasser gefüllte PET-Flasche wird für einige Stunden in die Sonne gelegt; deren UV-Strahlen töten die darin enthaltenen Keime ab und machen das Wasser wieder trinkbar. Obwohl dieses einfache, vom Wasserforschungsinstitut Eawag der ETH-Zürich entwickelte und wissenschaftlich getestete Verfahren seit zehn Jahren in mittlerweile 24 Ländern eingesetzt wird, konnte es sich bisher nicht flächendeckend durchsetzen: „Das liegt daran, dass man bei der Sodis-Methode nicht zweifelsfrei feststellen kann, wann genau das Wasser desinfiziert ist. Empfohlen werden sechs Stunden Sonneneinstrahlung, de facto hängt die notwendige Dauer der Bestrahlung aber von der Bewölkung ab“, sagt Martin Wesian, Geschäftsführender Gesellschafter von Helioz Research and Development. Wesian hat sich des Problems angenommen und im Rahmen seiner Diplomarbeit an der FH Technikum Wien in Zusammenarbeit mit Eawag ein Gerät namens „Wadi“ entwickelt, für das er am vergangenen Mittwoch mit dem Neptun-Wasserpreis in der Kategorie „WasserWelt“ ausgezeichnet wurde. Der Sensor arbeitet mit einer einfachen solarbetriebenen Elektronik und wird auf den PET-Flaschenhals geschraubt. Sobald das Wasser desinfiziert und somit trinkbar ist, erscheint auf einem Display ein Smiley. „Damit wird die Gefahr einer falschen Anwendung ausgeschlossen, eine Schulung durch Projektmitarbeiter ist nicht mehr notwendig. Der Preis wurde mit fünf Dollar möglichst gering gehalten“, erklärt der Jungunternehmer.

„Die Einfachheit in der Handhabung solcher Systeme ist von eminenter Bedeutung. Systeme mit zu hohen Standards lassen sich in Entwicklungsgebieten bei der Bevölkerung nicht durchsetzen“, weiß Martin Janda, Wassertechniker beim Österreichischen Roten Kreuz, der die Entwicklung eines Wasserfilters der Industriedesign-Studentin Veronika Ritzer unterstützt hat. Dieser verzichtet auf Verschleißteile, kann gefaltet werden und ist aufgrund seines leichten Gewichtes gut transportierbar. Ein erster Prototyp soll bald in Katastrophengebieten zum Einsatz kommen.

Stofffilter gegen Guineawurm

Dass es aber selbst bei einfachsten Systemen selten ohne Überzeugungsarbeit geht, zeigt das Beispiel einer weltweiten Kampagne zur Ausrottung des Guineawurms, die vom ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter initiiert wurde. Der Parasit gelangt über verunreinigtes Wasser in den menschlichen Körper, wächst sich dort zu einem meterlangen Wurm aus und frisst sich schließlich durch das Gewebe wieder ins Freie. Höllische Schmerzen und Siechtum sind die Folge.

Ein Vierteljahrhundert und die Überzeugungsarbeit von tausenden Helfern waren nötig, um die Bevölkerung dazu zu bringen, konsequent gratis verteilte Stofffilter und spezielle Trinkhalme zu benutzen, wenn sie Wasser aus Tümpeln entnehmen. Die Filter sieben jene Minikrebse aus dem Wasser, die sich in vielen Wassertümpeln der Dritten Welt finden und über die der Wurm auf den Menschen übertragen wird. Erst dadurch konnten die jährlichen Neuinfektionen von ursprünglich mehr als drei Millionen auf ein paar tausend jährlich gedrückt werden.

Aufgrund solcher Schwierigkeiten verwundert es nicht, dass Wasserexperten wie Janda es vorziehen würden, das Trinkwasserproblem in der Dritten Welt lieber mit technischer Infrastruktur zu lösen. „Da uns hierfür die Mittel nicht zur Verfügung stehen, müssen wir uns vorerst mit diesen einfachen Methoden behelfen. Damit können wir zumindest dafür sorgen, dass eine eigenständige Grundversorgung mit sauberem Wasser möglich wird“, so Janda.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.sodis.ch

www.waterdisinfection.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2011)

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