Klimaforschung: Die Nebel lichten sich, aber nur ein wenig

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Vieles liegt nach wie vor im Nebel, denn die Klimamodelle haben noch viele unbekannte Größen. Auch die Klimafolgen für die Kontinente sind schwer prognostizierbar, vor allem die in kleinem regionalen Maßstab.

Durban/Wien. Unter Klimaforschern unbestritten ist, dass die Durchschnittstemperatur der Erde gestiegen ist – in den letzten hundert Jahren um 0,8 Grad – und weiter steigen wird. Und dass es zweitens einen Zusammenhang mit den Treibhausgasen in der Atmosphäre gibt, vor allem mit dem CO2. Vieles andere liegt nach wie vor im Nebel. Ein wenig allerdings hat er sich gelichtet: Kurz nach dem Klimagipfel vor zwei Jahren in Kopenhagen wurden grobe Fehler im 4.Sachstandsbericht des UN-Klimabeirats IPCC bekannt: Da war etwa von einem Abschmelzen der Himalajagletscher bis 2035 die Rede, die Experten schüttelten die Köpfe.

Auch der Innsbrucker Glaziologe Georg Kaser – einer der österreichischen Vertreter beim IPCC – tat es, aber er konnte es erklären, es lag an einem Strukturproblem des IPCC: In dessen Arbeitsgruppe I werden die Klimagrundlagen erkundet, in Gruppe II die Folgen der Erwärmung. Beide Gruppen arbeiteten parallel, die Befunde der Gruppe I gingen nicht in die Prognosen der Gruppe II ein, die „strickte“ ihre Daten selbst. Dieser Konstruktionsfehler ist inzwischen behoben: „Wie haben daraus gelernt und die Konsequenzen gezogen“, berichtet Kaser, Mitglied der Gruppe I, nun der „Presse“: „Unsere Gruppe hat ihren neuen Bericht im Juli abgeschlossen, die Gruppe II wird es im Dezember tun.“

Unsicheres Wissen

Organisatorisch ist also getan, was getan werden konnte, aber inhaltlich bleiben wissenschaftliche Unsicherheiten: Sie betreffen vor allem und ausgerechnet den zentralen Teil aller Klimaprognosen, den, in dem abgeschätzt wird, welche Erhöhung der CO2-Gehalte welche Erhöhung der Temperaturen bringt. Dafür gibt es nur einen Schätzwert, er heißt „Klimasensitivität“ und gibt an, um wie viel Grad wärmer es wird, wenn die CO2-Gehalte sich verdoppeln. Das IPCC gab zuletzt drei Grad an, andere Gruppen gingen auf sechs, zehn oder noch mehr.

Aber alle diese Werte stützten sich nur auf die letzten 150 Jahre (seit Beginn der Aufzeichnungen der Meteorologen). Das ist kurz für das Klimasystem, das mit vielen Rückkoppelungen und träge reagiert. Deshalb haben US-Forscher nun die Bedingungen während der Eiszeit rekonstruiert, mit Bohrkernen, Fossilien etc. Sie kommen auf 2,3 Grad pro CO2-Verdoppelung, und sie halten alle Schätzung, die über sechs Grad gehen, für ausgeschlossen.

Das mag beruhigen, schafft aber die vielen Probleme in den Details der Klimaprognosen nicht aus der Welt: Unklar ist etwa, warum es von 1998 bis 2008 keine Erhöhung der Temperaturen gab, sie blieben auf dem hohen Niveau der 90er-Jahre. Unklar ist die Rolle der Aerosole, das sind Schwebteilchen in der Luft – Ruß etwa –, die bei der Bildung der Wolken mitspielen und damit eine Schlüsselrolle bei der Erwärmung haben.

Unklar sind weiter die Folgen, vor allem die in kleinem regionalen Maßstab. Kürzlich veröffentlicht der IPCC etwa einen Bericht über Wetterextreme. Oder besser gesagt: Veröffentlicht wurde nur eine Zusammenfassung, der Bericht wird erst im Februar 2012 publiziert. Vielleicht auch deshalb, weil die Aussagen sehr vage bleiben. Demnach wird eine Erhöhung der extrem heißen und sehr kalten Tage „sehr wahrscheinlich“. Allerdings gibt es große regionale Unterschiede: Während das für Europa und Nordamerika „wahrscheinlich“ ist, gibt es für Asien und Südamerika nur „geringe bis mittlere Wahrscheinlichkeit“. Sehr wahrscheinlich ist auch, dass der steigende Meeresspiegel zu höheren Sturmfluten und zu verstärkter Erosion der Küstenlinie führen wird und dass sich Hochgebirgsregionen und Permafrostgebiete stark verändern werden.

In manchen Regionen ist auch eine Zunahme von Starkregenereignissen belegt, aber nicht überall. Das überrascht nicht, denn je wärmer die Luft ist, umso mehr Wasser verdampft – und es muss auch irgendwann wieder zur Erde zurückfallen. Allerdings gibt es viele Einflussfaktoren dafür, wo das geschieht. Daher ist auch die Entwicklung bei Dürren unterschiedlich: In Südeuropa oder Westafrika wird es trockener, das Gegenteil ist aber offenbar in Nordamerika der Fall. Nur schwach belegt ist eine Zunahme von regionalen Überflutungen. Besonders umstritten ist der Zusammenhang der Erderwärmung mit Zyklonen und Hurrikans: Es gibt nur eine „geringe Wahrscheinlichkeit“, dass tropische Wirbelstürme häufiger und stärker werden. Als wahrscheinlich gilt hingegen, dass Hurrikans auch weiter vom Äquator entfernt auftreten.

Lexikon

Aerosole sind die größte Unbekannte in den Klimamodellen: Diese feinen Schwebeteilchen in der Luft können z.B. Sonnenstrahlen ins Weltall reflektieren oder Wolken bilden. Sie können daher sowohl kühlend als auch aufheizend wirken. Welcher Effekt dabei überwiegt, ist derzeit nicht völlig klar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2011)

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