Allein in den USA kostet die Luftverschmutzung jährlich 184 Milliarden Dollar an Wirtschaftswachstum. Laut einer Studie von US-Wissenschaftlern vernichten Kohlekraftwerke doppelt so viel Wert, wie sie schaffen.
Wien. Jede zweite Kilowattstunde Energie, die in der vergangenen Dekade zusätzlich verbraucht wurde, kam aus einem Kohlebergwerk. Während Umweltschützer bereits hier laut aufschreien, zucken Ökonomen meist noch verständnisvoll mit den Achseln. Wie sonst hätten etwa Länder wie China ihren Energiehunger stillen und ihr Wirtschaftswachstum erreichen sollen?
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn wie eine aktuelle Studie von drei US-Wissenschaftlern belegt, richtet jedes Kohlekraftwerk in einer Volkswirtschaft doppelt soviel Schaden an, wie es Wert schafft. Zu diesem Ergebnis kommt man freilich nur dann, wenn man die externen Kosten, die durch Luftverschmutzung entstehen, bei der Berechnung des Wohlstandes nicht wie bisher einfach ausblendet.
In ihrer Studie „Environmental Accounting for Pollution in the United States Economy“ hat das Forscherteam rund um den renommierten Yale-Ökonomen William Nordhaus versucht, die Kosten der Luftverschmutzung zu beziffern, um so den „wahren Wachstumsbeitrag“ der einzelnen Industrien in den Vereinigten Staaten ermitteln zu können.
Das Ergebnis ist erschreckend: Mindestens sechs Branchen vernichten statistisch gesehen mehr Wert, als sie schaffen. Nicht nur Erdöl- und Kohlekraftwerke, auch Müllverbrennungsanlagen, Kläranlagen und Steinbrüche kommen in der Studie schlecht weg. Und das, obwohl die Autoren negative Auswirkungen auf Wasser oder Böden gar nicht beachtet haben.
6 Millionen Dollar für ein Leben
Um die externen Kosten der Umweltverschmutzung schätzen zu können, verglichen sie die positive Wertschöpfung, etwa von Stromerzeugern, mit den Auswirkungen der Schadstoffe in der Luft auf andere Branchen, wie auf die Ernteerträge in der Landwirtschaft. Für jede zusätzliche Tonne des Treibhausgases Kohlendioxid in der Luft rechneten die Ökonomen außerdem „soziale Kosten“ von 27 Dollar hinzu. Eine Auswertung von medizinischen Studien ermöglichte es den Autoren zudem abzuschätzen, wie viele Menschen aufgrund welcher Emissionen frühzeitig sterben. Um die Luftverschmutzung mit einem „Preisschild“ versehen zu können, wurde der Wert jedes menschlichen Lebens in der Studie mit sechs Millionen Dollar angenommen.
Zählt man alles zusammen, so richtet die Luftverschmutzung in den USA einen wirtschaftlichen Schaden von 184 Milliarden Dollar (141 Milliarden Euro) im Jahr an. Das entspricht 1,3 Prozent der US-Wirtschaftsleistung. Die Luftverschmutzung, die Private mit ihren Häusern und Autos verursachen, ist dabei nicht berücksichtigt. Für ein Drittel der 184 Milliarden Dollar an Kosten sorgt die Energiewirtschaft – vor allem wegen ihrer Schwefeldioxid-Emissionen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2011)