Weltklima: Konkret wird es erst 2015

(c) EPA (NIC BOTHMA)
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Die internationale Gemeinschaft spielt auf Zeit: Es wurde vereinbart, dass ein globales Klimaabkommen bis 2015 erarbeitet werden soll. China und USA sind dabei. Einstweilen wird das Kyoto-Protokoll verlängert.

Durban/Ag./Tk/La. „Hier in Durban können wir gemeinsam Geschichte schreiben!“, rief Maite Nkoana-Mashabane, Außenministerin Südafrikas, um halb sechs Uhr früh ins Plenum. Und: „Es ist Ihre Entscheidung, welche Art von Geschichte Sie hier schreiben wollen!“ „Indien wird sich hier nicht für ein Scheitern an den Pranger stellen lassen“, antwortete Jayanthi Natajan, die Umweltministerin Indiens.

Tatsächlich war Indien bis zum Schluss die „Speerspitze des Widerstands“, wie es Nikolaus Berlakovich, der für Umweltfragen zuständige österreichische Minister, ausdrückt. Doch nun habe auch Indien „sich bewegt“, sagt er, die „sehr gute EU-Koordination“ habe sich schließlich durchgesetzt und zum Ergebnis geführt – zu einer Einigung, die mit dem Voranschreiten des 14 Tage dauernden UNO-Klimagipfels von immer weniger Beobachtern erwartet wurde. Wichtig sei vor allem, dass „alle Länder dabei sind“, sagt Berlakovich, das sei ein „historischer Durchbruch nach jahrelangem Stillstand“ und eine „Entscheidung für das Leben“.

Kritik der Umweltschützer

Auch Christiana Figueres von der „Klimarahmenkonvention“ der UNO spricht von einer „historischen Konferenz“; EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard bemerkt immerhin „bedeutende Schritte“ vonseiten der Schwellenländer. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace dagegen sieht einen „unter Druck von Indien und den Vereinigten Staaten abgeschwächten Kompromiss“; der Klimasprecher von Global 2000 meint: „Wir wissen, dass wir dringend größere Anstrengungen der Staaten brauchen, aber das war in Durban nicht einmal Thema. Ein weiteres Jahr im Kampf gegen die Klimakrise wurde damit verschenkt.“

Tatsächlich wurden in der Konferenz im südafrikanischen Durban keinerlei konkrete Vorgaben zur Reduktion der Treibhausgase beschlossen. Fixiert wurde zweierlei: Erstens eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls, das 2012 ausgelaufen wäre. 1997 beschlossen, schrieb es verbindliche Ziele für den Ausstoß von Treibhausgasen in den Industrieländern fest; 191 Staaten haben es ratifiziert, die USA sind nicht dabei.

Abgesehen davon, dass sich die Staaten durchaus nicht streng an die Vorgaben hielten – das große Problem des Kyoto-Protokolls war und ist, dass es den Entwicklungs- und Schwellenländern nichts vorschreibt, obwohl auch in diesen CO2 emittiert wird. Und zwar immer mehr: Vor allem das aufstrebende China, globaler Emittent Nummer eins, beharrte bis zuletzt darauf, als Entwicklungsland zu gelten, um nicht in die Pflicht genommen zu werden. Die auch nicht unbedeutenden CO2-Produzenten Kanada, Japan, Russland und Neuseeland hatten bereits verkündet, dass sie nicht mehr dabei sein wollen. Das hätte bedeutet, dass nur die europäischen Länder und Australien sich Verpflichtungen auferlegen, obwohl sie zusammen nur zirka 16 Prozent der weltweiten Emissionen erzeugen. Die EU stimmte der Verlängerung des Kyoto-Protokolls nur mit der Aussicht auf ein neues globales Klimaschutzabkommen zu.

Indien: Streit um juristische Form

Ein solches soll laut „Durban Platform“ bis 2015 erarbeitet und 2020 wirksam werden. Der letzte Streit mit Indien betraf die juristische Form, der Kompromiss lautet: Es soll ein „vereinbartes Ergebnis mit Rechtskraft“ sein.

Was soll das geplante Abkommen bewirken? Es soll zum Ziel beitragen, die Erderwärmung auf zwei Grad oder gar 1,5 Grad zu begrenzen. Die Anstrengungen dafür sollen ehrgeiziger sein als bisher, und sie sollen die bis 2014 erwarteten neuen Berichte des Weltklimarats IPCC berücksichtigen. Vor allem soll es für alle Staaten gelten, auch für die USA, für China und Indien. Bei der nächsten Klimakonferenz 2012 in Katar soll über globale Obergrenzen für Treibhausgase bis 2050 beraten werden. Indessen soll das Kyoto-Protokoll weiterhin gelten. Länder wie China und Japan werden „freiwillige Verpflichtungen“ auf sich nehmen, erklärt Berlakovich.

Die Entwicklungsländer sollen vom „Green Climate Fund“ bei ihren Maßnahmen zum Klimaschutz unterstützt werden, der ab 2020 jährlich über 100 Mrd. Dollar verfügen soll – wo diese herkommen, ist freilich noch offen. Zur Bremsung der Erderwärmung beitragen soll das Programm zum Schutz tropischer Wälder („Redd Plus“) – und vielleicht auch die unterirdische Speicherung von CO2. Sie wurde beim Klimagipfel in Durban als Maßnahme für den Klimaschutz anerkannt. Leitartikel SEITE 2

Zahlen und Fakten

30,6 Mrd.
Tonnen
CO2 wurden 2010 weltweit emittiert, das ist mehr als je zuvor – und 49Prozent mehr als 1990, dem Stichjahr des Kyoto-Protokolls, mit dem alle Reduktionsziele definiert wurden. Seit dem Jahr 2000 sind die Emissionen um durchschnittlich 3,9 Prozent pro Jahr gestiegen, nur 2009 gab es wegen der Wirtschaftskrise einen kleinen Rückgang. Dafür ging es 2010 um 5,9 Prozent hinauf.

0,8Grad Celsius: Das ist der Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen in den letzten hundert Jahren. Bei einer Verdoppelung der vorindustriellen CO2-Werte prognostiziert der UNO-Klimabeirat IPCC eine Erwärmung um drei Grad.

15.000Teilnehmer aus 194 Staaten haben an der Konferenz in Durban teilgenommen, die eigentlich am Freitag enden sollte, aber bis Sonntagfrüh verlängert wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2011)

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