Ausnahmslose Bettelverbote sind verfassungswidrig

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Symbolbild(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Das Verbot von "aggressivem Betteln" ist verfassungskonform, nicht jedoch das von "stillem" Betteln, sagt der VfGH. Damit wird das Salzburger Verbot aufgehoben, nicht jedoch diese in Oberösterreich und Kärnten.

Ausnahmslose Bettelverbote sind verfassungswidrig. In Ordnung gehen Verbote, die bloß bestimmte Erscheinungsformen des Bettelns wie etwa aggressives Betteln, Betteln mit Kindern oder gewerbsmäßiges Betteln unter Strafe stellen. Das hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Sommersession entschieden, wie VfGH-Präsident Gerhart Holzinger am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mitteilte.

Damit wird das Verbot in Salzburg aufgehoben, nicht jedoch die Bettelverbote in in Oberösterreich und Kärnten. Offen sind noch Entscheidungen zu den Bettelverboten in Wien und der Steiermark, sie wurden für Herbst angekündigt. Zu diesen sei man in der letzten Session schlicht noch nicht gekommen, so Holzinger.

"In demokratischer Gesellschaft nicht notwendig"

"Stilles Betteln an öffentlichen Orten ausnahmslos zu verbieten, ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig", hielt Holzinger fest. Regelungen zur Bettelei stehen kompetenzrechtlich im Rahmen der örtlichen Sicherheitspolizei den Bundesländern zu. Insgesamt sind beim VfGH fünf Fälle dazu anhängig, in drei wurde in der Sommersession eine Entscheidung getroffen.

Das Bettelverbot in Oberösterreich enthält kein absolutes, auch das "stille Betteln" umfassendes Bettelverbot - "nur so sind die sprachlich durchaus missglückten Formulierungen im Gesetz zu verstehen", so der VfGH. Ebenso birgt die Regelung in Kärnten kein absolutes Bettelverbot.

Die Bestimmung in Salzburg hingegen wird als verfassungswidrig aufgehoben, denn sie verbietet auch das nicht aggressive, "stille" Betteln. Eine Reparaturfrist wurde laut Unterlage nicht gegeben. Die Aufhebung gilt ab Kundmachung im Landesgesetzblatt und diese habe "unverzüglich" zu erfolgen.

Der VfGH wörtlich:

"Öffentlichen Orten (...) ist die Begegnung mit anderen Menschen immanent. Eine Störung der öffentlichen Ordnung kann (...) von der bloßen Anwesenheit einzelner Menschen an öffentlichen Orten, die um finanzielle Unterstützung werben ohne qualifizierte, etwa aufdringliche oder aggressive Verhaltensweisen an den Tag zu legen, nicht ausgehen." Dass dies als belästigend, störend oder gar schockierend empfunden werden kann, ändere nichts am grundsätzlichen Schutz derartiger kommunikativer Verhaltensweisen durch Artikel zehn der Europäischen Menschenrechtskommission.

"Eine Neuregelung des Bettelverbots in Salzburg soll zum ehest möglichen Zeitpunkt umgesetzt werden", meinte die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. Sie hofft auf einen raschen politischen Konsens für ein verfassungskonformes Gesetz. "In Österreich sollte kein Mensch auf das Betteln angewiesen sein, jeder wird aber Verständnis haben, wenn Menschen in kurzfristigen Notlagen keinen anderen Ausweg sehen. Organisierte Bettelei als Folgeerscheinung 'exportierter Armut' aus Ländern, die ihre Sozialsysteme vernachlässigen, kann aber gesellschaftlich nicht auf breite Akzeptanz stoßen."

Vinzenzgemeinschaft sehr erfreut

Überaus erfreut reagierte am Mittwoch die Vinzenzgemeinschaft rund um den Grazer Armenpfarrer Wolfgang Pucher auf die Entscheidung. "Wir hoffen sehr, dass auch das allgemeine Bettelverbot der Steiermark und im Anschluss daran weitere Verbote österreichweit aufgehoben werden", hieß es in einer Aussendung.

Die Vinzenzgemeinschaft werde sich auch im Rahmen des neu gegründeten "Österreichischen Forums gegen Bettelverbote" weiterhin dafür einsetzen, "dass diesen ärmsten Menschen gegenüber Mindeststandards an Respekt und Toleranz entgegengebracht werden. Vor allem auch, dass man nicht unter dem Deckmantel einer bedrohten Sicherheit ihnen die Anwesenheit im öffentlichen Raum verwehrt".

(APA)

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