Parkpickerl ist ein „juristischer Eiertanz“

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Mit der Verweigerung einer Volksbefragung bewegt sich Rot-Grün im Graubereich. Der Wiener Magistrat hat ein Verwaltungsverfahren eingeleitet und noch Fragen an die ÖVP gestellt.

Die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung auf mehrere Bezirke jenseits des Gürtels wird immer mehr zu einer Groteske. Die Beteuerung von Bürgermeister Michael Häupl und der grünen Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou, man werde sich nicht auf rein juristische Positionen zurückziehen, sondern eine politische Lösung suchen, wird von der Stadtregierung konterkariert.

Erstens: Nachdem rund 170.000 Unterschriften gegen die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung (und für eine Volksbefragung darüber) vorliegen, wird es eine Volksbefragung geben – allerdings nicht über die Ausweitung, sondern über allgemeine Verkehrsthemen. Und: Die Volksbefragung soll erst nach der Einführung der neuen Zonen kommen.

Zweitens: Die ÖVP wartet auf den Bescheid, ob ihre Frage („Sollen in Wien weitere Kurzparkzonengebiete – bezirksweise oder in Bezirksteilen – eingeführt werden?) zulässig ist – um im Falle eines (sehr wahrscheinlichen) negativen Bescheides den Verwaltungsgerichtshof anzurufen, um so doch noch eine Volksbefragung zu erzwingen. Doch daraus wird nichts. Der Wiener Magistrat hat ein Verwaltungsverfahren eingeleitet und noch Fragen an die ÖVP gestellt. Als Folge dieses Verfahrens gibt es keinen Fristenlauf mehr, wie VP-Chef Manfred Juraczka am Mittwoch erklärte. In anderen Worten: Die ÖVP muss dem notwendigen Bescheid so lange nachlaufen, solange es das rot-grüne Rathaus will. Der Bescheid kann daher (theoretisch) um Jahre verzögert werden. Das bezeichnet der Verfassungsjurist Bernd Christian Funk gegenüber der „Presse“ als „juristischen Eiertanz“ und „hart an der Grenze des Vertretbaren“. Es sei klar: Wenn ein Bescheid zu erlassen ist, dürfe man diesen nicht hinauszögern.

Verfassungsjurist korrigiert Rot-Grün

Es dürfte einen guten Grund haben, dass Rot-Grün den Weg zum Höchstgericht versperren möchte: Die Argumentation des Rathauses – die Frage über eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung sei eine Frage über Gebühren, und über Gebühren dürfe laut Stadtverfassung nicht abgestimmt werden – hält laut Funk nicht: „Gegenstand der Befragung sind nicht die Parkgebühren, sondern die territoriale Basis.“ Rot-Grün müsste laut Funk also die Volksbefragung über die Parkpickerl-Ausweitung zulassen.

Die Linie der Rathausjuristen, der normale Wiener würde die VP-Fragestellung mit (Park-)Gebühren inhaltlich verknüpfen, würde in der Praxis bedeuten: Die Möglichkeiten für eine Volksbefragung in Wien sind massiv eingeschränkt. Die Frage nach einer Citymaut (wie bei der Volksbefragung 2010) verstieß damit laut Funk eindeutig gegen die Stadtverfassung: „Im Wesentlichen bleiben dann nur privatrechtliche Angelegenheiten. Beispielsweise die Frage, ob die Stadt ein neues Schwimmbad bauen soll.“

Bei der engen Auslegung der Rathausjuristen wäre auch die Frage nach der 24-Stunden-U-Bahn unzulässig gewesen – weil der Betrieb auch mit Kosten, also Tarifen, verbunden ist. Es sei immer die Frage, so Funk, wie eng die Assoziation mit Gebühren sei. Damit bleibt das Fazit: Häupls Volksbefragung 2010 hat wohl in nicht wenigen Punkten gegen die Stadtverfassung verstoßen. Damals blieben die Rathausjuristen aber stumm.

Für die Rathauskoalition gibt es noch ein Schlupfloch: Neben Gebühren darf auch nicht über „behördliche Angelegenheiten“ abgestimmt werden. Und die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung ist eine solche. Nur: Eine so eng gefasste Rechtsmeinung würde eben fast alle Volksbefragungen in Wien unmöglich machen – auch jene, die Rot-Grün nun angekündigt hat.

Das führt zu der Frage, ob die Stadtverfassung, die so enge Grenzen setzt, nicht gegen die Bundesverfassung verstößt. Dort heißt es, das Recht gehe vom Volk aus. Es könnte auch eine unangemessene Einschränkung eines demokratischen Instruments sein. Funk relativiert: „Verfassungsrechtlich gibt es keine Verpflichtung, so was (eine Volksbefragung, Anm.) vorzusehen. Es ist keine unangemessene Einschränkung.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2012)

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