Tirol: Einsatzgruppe zu Kinderarbeit

Tirol Einsatzgruppe Kinderarbeit
Tirol Einsatzgruppe Kinderarbeit(c) Swarovski Kristallwelten (Swarovski Kristallwelten)
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Mehrere Unternehmen, darunter Swarovski und Darbo, sollen Heimkinder ohne Lohn beschäftigt haben. Eine Kommission des Landes will nun die Vorwürfe klären.

Wien/Eko/Red. Der Umgang mit den Insassen von Kinderheimen ist um eine weitere Dimension reicher: Nachdem die Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs und wegen gewaltsamer und menschenverachtender Erziehung in staatlichen und kirchlichen Einrichtungen nach und nach aufgearbeitet werden, tauchen nun auch Anschuldigungen auf, dass Heimkinder in Tirol Zwangsarbeit leisten mussten – eine eilig eingesetzte Kommission des Landes soll nun die Vorwürfe prüfen.

Die Gruppe „Arbeit in Tiroler Heimen“ bestehe aus Mitarbeitern der Jugendwohlfahrt und externen Experten, kündigte der Tiroler Soziallandesrat Gerhard Reheis an. Daneben werde man auch bei den betroffenen Betrieben anfragen, ob sie mitarbeiten wollen. Beim Land Tirol selbst habe sich bisher aber noch keines der Opfer gemeldet.

Im Mittelpunkt stehen Vorwürfe, dass in den Sechzigerjahren Kinder der Tiroler Landeserziehungsanstalt St. Martin Arbeiten unter anderem für den Kristallhersteller Swarovski geleistet haben. Die Rede ist von Akkordarbeit – so mussten Mädchen und junge Frauen etwa Kristalle auf Stoffbänder heften, berichtet eine ehemalige Heiminsassin dem „Kurier“. Und für die Fließbandarbeit hätten sie so gut wie nie Geld gesehen. In der Folge tauchten auch Vorwürfe gegen weitere Unternehmen auf – so soll der Marmeladenhersteller Darbo mit Sitz in Stans im Unterinntal in den 1960er- und 1970er-Jahren auf die Arbeitskraft von 15- bis 18-jährigen Heiminsassen zurückgegriffen haben. Und auch der Leuchtenhersteller Eglo mit Sitz in Pill im Bezirk Schwaz tauchte in den Schilderungen ehemaliger Heimkinder auf.

In einer Stellungnahme sagte Swarovski-Sprecher Markus Lange-Swarovski, dass die Thematik für das Unternehmen eine völlig neue sei, dass man aber „unsere Verantwortung lückenlos und vollständig wahrnehmen“ werde. Der Kristallkonzern, der bereits einen Wirtschaftshistoriker mit der Aufarbeitung der Unternehmensgeschichte während der NS-Zeit beauftragt hat, will nun auch die aktuellen Vorwürfe von einem unabhängigen Experten beleuchten lassen.

Und auch die beschuldigten Unternehmen Darbo und Elgo betonen, dass sie an der Aufklärung der Vorfälle interessiert sind. Bei Elgo bestätigt man, dass man „wenige Wochen“ mit Insassen des Heims St.Martin gearbeitet habe, doch sei in jedem Fall dafür bezahlt worden. Sollte der Lohn vom Heim nicht weitergegeben worden sein und sich das Heim bereichert haben, „war das eine richtig kleine Mafia“, sagte Gesellschafter Ludwig Oberwieser zur APA. Auch bei Darbo gibt man an, dass es vor etwa dreißig Jahren eine kurzzeitige Zusammenarbeit mit zwei Heiminsassinnen gegeben habe – die damals etwa 15-Jährigen seien allerdings gesetzlich entlohnt worden.

Wien: Bisher keine Meldungen

Hinweise, dass sich derartige Fälle auch in anderen Bundesländern abgespielt haben könnten, liegen bisher nicht vor. „Die bisher eingesetzten Kommissionen haben ihren Fokus auf allgemeine Zustände und Misshandlungen gelegt“, sagt ein Sprecher des zuständigen Wiener Stadtrats Christian Oxonitsch. „Es ist nicht auszuschließen, dass noch etwas hochkommt – aber bis jetzt haben wir noch keine Informationen dazu.“ Auch die Opferschutzorganisation „Weißer Ring“, die bisher rund 900 Fälle von Missbrauch in Wien aufgearbeitet hat, hat diesbezüglich keine Hinweise vorliegen. Zwar hätten Betroffene geäußert, dass sie etwa für Reinigungsdienste im Heim selbst herangezogen wurden, doch über einen Verleih als externe Arbeitskräfte sei nichts bekannt.

Auf einen Blick

Zwangsarbeit für Heimkinder: Mehrere frühere Insassen des Tiroler Kinderheims St.Martin bei Schwaz sollen in den 1960er- und 1970er-Jahren für Unternehmen wie Swarovski, Darbo und den Leuchtenhersteller Elgo gearbeitet – und dafür keinen Lohn bekommen haben. Eine Einsatzgruppe des Landes Tirol soll die Vorwürfe klären, auch die betroffenen Firmen möchten an der Aufklärung mitwirken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2012)

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