Kampusch: Wenn das FBI in Österreich Kriminalfälle löst

Wenn oesterreich Kriminalfaelle loest
Wenn oesterreich Kriminalfaelle loest(c) REUTERS (KEVIN LAMARQUE)
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Österreichische Polizisten durften in Moskau im Entführungsfall Rebasso ermitteln. US-Beamte und Deutsche werden hierzulande wegen einer anderen Entführung aktiv, jener von Natascha Kampusch.

„FBI rollt Fall Kampusch neu auf“: So oder so ähnlich lauteten die Schlagzeilen, nachdem Mitte Juni von Innen- und Justizressort beschlossen worden war, dass die achteinhalbjährige Gefangenschaft von Natascha Kampusch (Entführung: März 1998, Flucht: August 2006) noch einmal unter die Lupe genommen werden soll. Die neuerliche Befassung mit dem spektakulären Fall war von einem Parlamentsausschuss angeregt worden, der zuvor seinerseits eine Evaluierung der Behördenarbeit vorgenommen hatte.

Mittlerweile ist die „Aktion“ angelaufen: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Justizministerin Beatrix Karl richteten ein Steering Committee, also einen Lenkungsausschuss, ein. Dieser vergibt wiederum Aufträge an ein operatives Team. Am Dienstag (14. August) trat das Komitee zu einer Sitzung im Innenressort zusammen. Es ist hochkarätig besetzt. Folgende Personen gehören dazu: der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl, Sektionschef Christian Pilnacek vom Justizressort, Strafrechtsprofessor Manfred Burgstaller als Rechtsschutzbeauftragter des Innenressorts, der frühere Generalprokurator Gottfried Strasser als Rechtsschutzbeauftragter des Justizressorts, der Strafrechtler und Anwalt Wolfgang Brandstetter – und der Präsident des deutschen Bundeskriminalamts (BKA) Jörg Ziercke sowie der Legal Attaché der US-Botschaft in Wien, Steven Paulson, quasi als Vertreter der US-Bundesermittlungsbehörde FBI.

270.000 Aktenseiten sollen durchgearbeitet werden. Hier ist das operative Team gefragt. In dieses sollen auch FBI-Beamte entsandt werden, etwa Cold-Case-Ermittler (externe Spezialisten, die alte Fälle noch einmal aufrollen). Dem Team wurde bereits aufgetragen, die frühere Tätigkeit der Kampusch-Ermittler zu analysieren. So soll etwa geprüft werden, ob die Beamten ohne schädliche Einflussnahme „von außen“ arbeiten konnten.

Doch mehrere Täter? Die viel gestellte Frage, ob nicht doch mehrere Täter (und nicht nur Wolfgang Priklopil) an der Kampusch-Entführung beteiligt waren, wird also nicht direkt geprüft. Freilich könnte aber die laufende Evaluierung neue Ermittlungsansätze liefern. In dem Fall müsste die zuständige Staatsanwaltschaft (zuletzt war es jene in Wien) neue Ermittlungsaufträge erteilen. Freilich an österreichische Polizisten, an die eigenen Leute sozusagen. Dass das FBI oder das BKA auf eigene Faust in Österreich ans Werk geht, ist ausgeschlossen. Wohl aber könnte das Ausland ersucht werden, Gutachten zu erstellen – etwa eine Expertise zur Auswertung bestimmter Spuren. Insofern würde bestimmtes Know-how, das im Inland fehlt, vom Ausland zugeliefert werden.

Ein Blick in die Justizgeschichte zeigt, dass dies durchaus vorkommen kann. So wurde etwa Anfang der 1990er-Jahre eine FBI-Spezialistin für Knoten zum Mordprozess gegen Jack Unterweger beigezogen. Damals wurde die Verknotung jener Damenunterwäsche analysiert, mit der Unterweger (übrigens als unehelicher Sohn eines US-Soldaten in Österreich aufgewachsen) seine Opfer, Prostituierte, erdrosselt haben soll. Unterweger wurde verurteilt und erhängte sich Stunden später.

Ob neuerlich Hilfe von den USA oder Deutschland benötigt wird, bleibt abzuwarten. Zuerst wird evaluiert. Bis Jahresende soll es einen Bericht geben. Wenn dieser weitere Erhebungen empfiehlt, könnte die Stunde der internationalen Experten schlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2012)

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