Kinderlachen beim Küssel-Prozess

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Wieder gab es im Verfahren gegen Neonazi-Frontmann Küssel Probleme mit Geschworenen. Diesmal brachte eine Laienrichterin ihre Kinder mit. „Die Verhandlung steht unter keinem guten Stern“, seufzt die Richterin.

Wien. Da wird im überhitzten Verhandlungssaal 303 des Wiener Straflandesgerichts das Strafverfahren gegen Neonazi-Leitfigur Gottfried Küssel („Ich bin Nationalsozialist“) fortgesetzt – und ausgelassenes Kinderlachen unterlegt die Szenerie. Zu dieser Diskrepanz zwischen „Bild“ und „Ton“ kam es am Montag – als erörtert werden sollte, ob Küssel und Co. für eine Homepage mit nationalsozialistischer Hetze verantwortlich sind.

Grund für die Anwesenheit von Kindern in einem an den Gerichtssaal angrenzenden Nebenraum: Es gab erneut – zum bereits dritten Mal! – Probleme mit der Besetzung der Geschworenenbank. „Die Verhandlung steht unter keinem guten Stern“, seufzt Richterin Martina Krainz. Eine Laienrichterin habe ganz kurzfristig wissen lassen, dass sie ihr Amt nicht ausüben könne, da ihre Betreuung für ihr zweijähriges Kind ausgefallen sei. „Doch bevor die Verhandlung platzt, habe ich sie gebeten, mit Kind zu kommen.“

Die Mutter verspricht, dem Ruf der Richterin zu folgen. Gespanntes Warten. Dann erscheint die Frau sogar mit zwei Kindern, die sich ab sofort in besagtem Hinterzimmer bei geöffneten Türen aufhalten. Dass sich die Kleinen dort einigermaßen wohlfühlen, verrät ihr ausgelassenes Lachen.

Kein guter Stern also: Schon der viel beachtete Auftakt des Schwurprozesses um den Vorwurf der nationalsozialistischen Wiederbetätigung gegen Gottfried Küssel (53), Felix B. (35) und Wilhelm A. (40) war ins Wasser gefallen. Mitte Mai waren von 22 geladenen Laienrichtern nur sieben erschienen. Da eine Geschworenenbank aber acht Personen (Laien – diese entscheiden allein über Schuld oder Schuldlosigkeit) umfassen muss, brauchte es einen zweiten Anlauf. Nicht weniger als 39 Personen wurden daraufhin geladen, um ja genug Personalreserve zu haben. Wieder kamen viele nicht, doch für einen – verspäteten – Prozessstart reichte es. Der nächste Eklat folgte. Die Verteidiger verlangten eine Dokumentation über die Auswahl der Geschworenen. Sie wollten wissen, ob die Laien auch gemäß jener Reihenfolge herangezogen wurden, die durch die offizielle Ladungsliste vorgegeben ist. Dies konnte allerdings – zumindest laut den Anwälten – nicht klar unter Beweis gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, warum das Gericht lieber Kinder ins Beratungszimmer der Geschworenen setzt, als neuerlich alle Beteiligten unverrichteter Dinge weg zu schicken.

Letztlich war also die Verhandlung gerettet: Nun stand die Befragung jenes Abteilungsinspektors vom österreichischen Verfassungsschutz auf dem Programm, der die Einvernahmen von Wilhelm A. geführt hatte. A. wird vorgeworfen, für die „technische Betreuung“ der rechtsextremen Homepage „alpen-donau.info“ verantwortlich gewesen zu sein. B. wiederum soll die „inhaltliche Gestaltung“ vorgenommen haben – während Küssel als „Mastermind“ gilt. Alle drei bekennen sich nicht schuldig.

Da A. zuletzt erklärte, ihm sei ein EDV-Bericht der Polizei nur unvollständig vorgehalten worden, wollte sich der Senat selbst ein Bild von dem Beamten machen. Dieser schilderte, dass gerade die erste Vernehmung – diese dauerte übrigens eine ganze Nacht lang – durch „ausschweifende“ Angaben des Verdächtigen A. gekennzeichnet gewesen sei. Der Beamte: „Er wurde von uns gut serviciert.“ So habe A. etwa „meine halben Zigaretten geraucht“. Das Verhör sei „so entspannt“ gewesen, „wie man sich um ein Adoptivkind bemüht“. Auch verriet der Beamte, dass er von A. offenbar „für dümmer gehalten wurde, als er selbst ist“. Dies sei entschieden von Vorteil gewesen: „Wenn man für dümmer gehalten wird, kann man den Beschuldigten reden lassen.“

Urteilsverkündung am 7.November

Auch die Chefin des Beamten, Chefinspektorin Bettina Bogner, wurde als Zeugin gehört. Sie war bei der Vernehmung dabei und sprach nun von einer zumindest anfangs „extrem angespannten“ Gesprächssituation. Dass man damals darauf aus gewesen sei, Küssel selber zu überführen, gestand die Zeugin zu. Wenngleich: „Stimmungsmäßig war es nicht so: Hängt den Küssel am nächsten Baum auf!“ Dies schien dem direkt vor der Beamtin auf der Anklagebank sitzenden Hauptangeklagten ein schwacher Trost zu sein. Doch brach Küssel sein Schweigen, als er den Abteilungsinspektor fragte, ob dieser Zugangsdaten für die gegenständliche Webseite bei ihm, Küssel, gefunden habe. Hier musste der Zeuge passen: „Das ist mir nicht erinnerlich.“ Nächster Verhandlungstag: 17.Oktober. Die Urteile sollen am 7.November gefällt werden.

Auf einen Blick

NS-Wiederbetätigung. Dem Rechtsextremen Gottfried Küssel (53) wird in einem seit Mai laufenden Strafprozess das Einrichten der Neonazi-Homepage „alpen-donau.info“ zur Last gelegt. Die Webseite hatte laut Anklage eine „nationalsozialistische Zielsetzung“. Küssel habe den Vorsatz gehabt, „die Ziele der NSDAP zu fördern“. Küssel, vertreten von Anwalt Michael Dohr (dieser trug am Montag übrigens ein gewagtes Sakko samt Weste und Krawatte: alles in Neonpink) sowie zwei Mitangeklagte bestreiten die Vorwürfe. Erneut bangte das Gericht um die gehörige Besetzung der Geschworenenbank.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2012)

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