Fall Oliver: Bedingte Haftstrafe für Vater

Fall Oliver Bedingte Haftstrafe
Fall Oliver Bedingte Haftstrafe(c) Dapd (Markus Leodolter)
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Am Mittwoch erhielt Thomas S. ein Jahr bedingte Haft. Im April hatte er seinen Sohn Oliver der Mutter vor dem Kindergarten abgenommen und nach Dänemark gebracht.

Graz/M.l. Thomas S. (41), jener Vater, der seinen fünfjährigen Sohn am 3. April 2012 vor einem Grazer Kindergarten der Mutter abgenommen und ohne deren Einverständnis nach Dänemark gebracht hatte, wurde am Dienstag im Grazer Landesgericht schuldig gesprochen. Richter Günther Sprinzel verurteilte den Dänen wegen Kindesentziehung und schwerer Nötigung zu einem Jahr bedingter Haft. Die Probezeit beträgt drei Jahre.

„Er konnte nicht annehmen, dass die Mutter tatenlos zusehen würde, wenn er das Kind an sich nimmt. Er konnte nicht erwarten, dass die Aktion gewaltfrei abläuft“, begründete der Richter sein Urteil. „Ich hoffe, dass die treibende Kraft das Wohl des Kindes war, und nicht die Größe des eigenen Egos.“ Der Däne hatte bei der Kindesabnahme einen Komplizen dabei.

Das Urteil hat kaum unmittelbare Auswirkungen auf Oliver und den erbitterten Sorgerechtsstreit seiner Eltern. In Dänemark hat der Vater das Sorgerecht, in Österreich die Mutter. Der Antrag der Mutter auf Rückführung wurde von einem Gericht in Helsingör in der vergangenen Woche abgewiesen. Oliver bleibt also vorerst in Dänemark bei seinem Vater. Zudem hat die Anwältin des Vaters volle Berufung angemeldet, das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.

S., dem freies Geleit zugesichert wurde, befand sich am Mittwochnachmittag bereits auf der Heimreise. Währenddessen fand sein dänischer Sprecher deutliche Worte. „Wir fechten das Urteil an Ort und Stelle an, weil wir zutiefst schockiert sind. Thomas soll dafür bestraft werden, dass er von seinem Obsorgerecht Gebrauch gemacht hat“, zitierte die dänische Nachrichtenagentur Ritzau Janus Bang. „Er hat ein Gerichtsverfahren mit Lynchstimmung seitens der österreichischen Medien hinter sich. Dabei hat er nicht das Gefühl, etwas Falsches gemacht zu haben.“

Mutter: „Ich habe keine Lösung“

S. rechtfertigte während des Prozesses sein Handeln damit, nur das Beste für seinen Sohn gewollt zu haben. Dänische Anwälte und Behörden hätten ihm zu dieser drastischen Aktion geraten. „Mir wurde gesagt, dass die österreichischen Behörden sehr langsam arbeiten.“ Auch den Kontakt zur Mutter wolle er nicht unterbinden, sondern fördern.

Die Möglichkeit, die Geschehnisse des 3. April aus ihrer Sicht zu schildern, bekam Olivers Mutter Marion Weilharter am Mittwochvormittag. Als sie vor dem Kindergarten gehalten und versucht habe auszusteigen, sei sie von einem Mann festgehalten worden. „Ich habe Oliver angestarrt, sein Vater hat ihn von hinten gepackt, er konnte sich nicht bewegen.“ Sie habe versucht zu schreien, „aber es ist erst kein Ton gekommen“. Sie wollte zu Oliver gelangen, aber der Komplize habe sie zurückgehalten. „Ein Mann hat mich ans Auto gepresst, er hat mich an den Oberarmen festgehalten.“

Dass es zu Gewaltanwendung gekommen sei, bestritt S. Auch wer sein Komplize war, wollte er nicht preisgeben. „Ich sehe die Gesichter dieser beiden Männer jede Nacht vor mir, ich habe jede Nacht Albträume“, schilderte die Mutter. Um ihren Sohn mache sie sich große Sorgen. „Oliver ist traumatisiert und ich glaube, dass er bei mir besser aufgehoben ist.“ Ob sie sich eine Lösung der verfahrenen Situation gemeinsam mit Olivers Vater vorstellen könne, wollte Richter Sprinzel am Ende der Befragung von Marion Weilharter wissen. „Nach dem, was er getan hat, habe ich keine Lösung.“

Zuvor hatte Staatsanwältin Gertraud Pichler gemeint: „Ich plädiere an beide Elternteile, eine Lösung zu finden und ihre Ansprüche hinter Olivers Wohl zu stellen.“ Über den Vater sagte sie: „Er hat Selbstjustiz geübt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2012)

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