Lobautunnel: Buhlen um die Anrainer

Lobautunnel Buhlen Anrainer
Lobautunnel Buhlen Anrainer(c) ASFINAG (G. Ramsbacher)
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Autobahnprojekt: In der heißen Phase der Umweltprüfung bezweifeln Kritiker die Richtigkeit der Asfinag-Berechnungen. Die wirbt mit Verkehrsentlastungen bei Anrainern für das Projekt.

[Wien/awe] Am Montag wird es ernst. Dann beginnt die öffentliche Verhandlung über die neu zu bauende Autobahn zwischen Schwechat und Süßenbrunn. Der Abschnitt ist zentraler Teil des sogenannten Regionenrings um Wien. Weil von der Verhandlung abhängt, ob der 19 Kilometer lange Abschnitt, der mit einem acht Kilometer langen Tunnel die Donau unterquert (Lobautunnel) überhaupt gebaut wird, geraten vor dem Schlagabtausch der Errichter Asfinag sowie Umweltschützer bereits jetzt in aller Öffentlichkeit aneinander. Es wirkt fast so, als buhlten beide um die Gunst der Anrainer.

Vereinfacht gesagt verlaufen die Argumente so. Eine Gruppe aus Aktivisten, Bürgerinitiativen und Wissenschaftlern behauptet, dass die in bis zu 60 Meter Tiefe verlegten Betonröhren das Grundwasser in der Region rund um den Nationalpark Donauauen derart verändern könnten, dass auch Anrainer dadurch Schaden erleiden. Der Schnellstraßenbetreiber und -errichter Asfinag wirbt insbesondere damit, dass die (jetzt) schon unter dem starken Straßenverkehr in der Region leidenden Anrainergemeinden durch den Bau der S1-Verlängerung deutlich entlastet würden. Wer hat nun recht?

Letztendlich entscheiden wird das die für Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) zuständige Behörde im Verkehrsministerium, die momentan die 9000 Seiten an Unterlagen und Berechnungen, die die Ingenieure der Asfinag vorgelegt haben, prüft. Alle Beteiligten rechnen damit, dass es innerhalb der nächsten sechs Monate einen Bescheid geben wird. Einstweilen läuft ein Wettstreit um die öffentliche Meinung.
Asfinag-Vorstand Alois Schedl, der das von der Politik beschlossene Vorhaben umsetzen muss, sieht in dem 1,8 Milliarden Euro teuren Projekt nur Vorteile – insbesondere für Bewohner der angrenzenden Gemeinden. Ob Wien, Eßling, Raasdorf, Deutsch-Wagram oder Strasshof: Die Verlängerung der S1 werde laut seinen eigenen Berechnungen eine Verkehrsreduktion von bis zu 30 Prozent bringen.

Falsche Voraussetzungen?

Auf den ersten Blick fast schon rosige Aussichten, die in der Region – zumindest abseits des Einflussbereichs der Kritiker – auf Zustimmung stoßen. Bevor es nämlich am Montag in die finale Phase des UVP-Verfahrens geht, sind bei der zuständigen Behörde lediglich 100 Stellungnahmen eingelangt. Obwohl entsprechende Eingaben auch positive Meinungen zum verhandelten Projekt transportieren können, sind es in aller Regel stets kritische. Und im Vergleich zu ähnlichen Infrastrukturprojekten sind es dieses Mal besonders wenig. Zum Vergleich: Im Verfahren zum Linzer Westring (A26) machten mehr als 1000 Berechtigte ihrem Ärger Luft.

Aus Sicht der Kritiker sind die Argumente jedoch trügerisch. Die Gruppe, bestehend aus der Bürgerinitiative „Rettet die Lobau“ sowie der Umweltschutzorganisation „Virus“, behauptet nämlich, dass die Berechnungen der Asfinag falsch sind. Dafür hat sie sich Unterstützung von prominenten Experten gesichert. Mit dabei sind u. a. der explizit automobilkritische Hermann Knoflacher sowie Josef Lueger, ein Experte für Geologie und Hydrologie, der bereits mit seinen kritischen Gutachten zum ÖBB-Eisenbahntunnel unter dem Lainzer Tiergarten für Aufsehen gesorgt hatte. Auf das Wesentliche reduziert sagen sie, dass die Asfinag-Ingenieure bei Grundwasserberechnungen falsche Ausgangswerte verwendeten und bei der Vorschau für die Verkehrsbelastung den Trend zu öffentlichen Verkehrsmitteln völlig unberücksichtigt ließen.

Tunnel bis 2025

Argumente, die die Asfinag damit entkräften will, dass die beauftragten Ingenieurbüros zu den besten in Europa gehören. „Und diese haften mit ihrem Firmenstempel für die Richtigkeit der Berechnungen“, sagt Asfinag-Baumanagement-Geschäftsführer Alexander Walcher. Gibt das Ministerium im Zuge des UVP-Verfahrens tatsächlich grünes Licht, werden die ersten Bagger 2014 auffahren. Bis 2016 soll der oberirdische Abschnitt zwischen Maria Enzersdorf und Süßenbrunn errichtet werden und in Betrieb gehen (Kosten: 400 Mio. Euro). Das Kernbauwerk, der Tunnel durch den Nationalpark, wird frühestens 2018 entstehen. Momentan rechnet man mit einer Bauzeit von mindestens sieben Jahren. Kosten: 1,4 Mrd. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2012)

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