Estibaliz C.: "Zukunftsaussicht ungünstig"

Estibaliz Zukunftsaussicht unguenstig
Estibaliz Zukunftsaussicht unguenstig(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Am Montag wird in Wien die ehemalige Eissalonbesitzerin Estibaliz C. vor die Geschworenen treten. Der Vorwurf: Zweifacher Männermord. Die Linzer Psychiaterin Adelheid Kastner hat die 34-jährige Angeklagte untersucht.

Einen Krimi sollte man nicht rückwärts lesen. Dies mag durchaus auch für jene Geschichten gelten, die die Realität schreibt. Oft wird ja die Realität selbst zum Krimi. So wie im Fall jener jungen Frau, die ihre Heimatstadt Barcelona in Richtung Deutschland verließ, nach Wien zog und hier zwei ihrer Männer hinterrücks erschoss, zerstückelte und im Keller ihres Eissalons einbetonierte.

Das Ungewöhnliche an dieser jungen, zierlichen Frau ist, dass ihr Krimi praktisch keine (sich langsam aufbauende) Handlung hat. Eine unbescholtene Person, eine Frau mit Träumen, soll grundlos so etwas Grauenhaftes getan haben? Um dies erklären zu können, empfiehlt es sich, diesen Krimi, der nur aus einem monströsen Ende zu bestehen scheint, ausnahmsweise rückwärts zu lesen. Also dort zu beginnen, wo die derzeit meistgefragte Psychiaterin Österreichs nach insgesamt 27,5 Stunden Untersuchung hingefunden hat. An eben diesem Punkt schreibt Primaria Adelheid Kastner von der Forensischen Abteilung der Nervenklinik Wagner Jauregg Linz, Psychiaterin und Neurologin, über die so rätselhaft anmutende junge, zart gebaute Frau: „Ohne Zweifel ist Frau C. eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung zu attestieren, die als wesentliche motivationale Grundlage der Tathandlungen anzusehen ist und die die Entscheidungsspielräume einengte bzw. die schließlich getroffenen und zur Tötung führenden Entscheidungen begünstigte.“

„Einiges geht kaputt.“
Eingeengte Entscheidungsspielräume. Das nimmt sich soweit noch als Rechtfertigung für diese „Tathandlungen“ aus, die Estibaliz C. (34), Tochter einer aus dem Baskenland stammenden Mutter (Hausfrau) und eines aus Mexico City stammenden Vaters (Journalist, Buchautor) verübt haben soll.

Im April 2008 schießt Frau C. ihrem Exmann mit dessen eigener Beretta von hinten dreimal in den Kopf. Er selbst hatte ihr das Schießen beigebracht. Ihr angeblicher Beweggrund (das Wort „Motiv“ wirkt hier nicht überzeugend): Der Mann habe auch nach der Scheidung in der gemeinsamen Wohnung bleiben wollen. So erzählte es Frau C. der Psychiaterin und so steht es in deren Gutachten, das ab morgen, Montag, vor Gericht verwendet wird. Der Mann sei nicht ausgezogen und sie selber habe auch nicht einfach gehen können, da die Wohnung gleichzeitig das Büro für den Eissalon gewesen sei.

Nach dem Erschießen kam das Zerteilen der Leiche: Wenn man so etwas tue und sehe, gehe im eigenen Kopf einiges kaputt, man sei danach nicht mehr derselbe Mensch wie vorher, hält Kastner nach Gesprächen mit der Spanierin fest. Das Einbetonieren kam erst Monate später, dazwischen war das Einfrieren.

Dann der November 2010, Frau C. erschießt ihren Lebenspartner. Der wiederum hatte angeblich nebenher stets andere Frauen. Mit dieser Tat hat die zierliche Dame – buchstäblich – zwei Leichen im Keller. Beide mit beim Baumax gekauften Motorsägen zersägt. Einbetoniert in Tröge, Tiefkühltruhen und Blumentöpfe.

„In der Persönlichkeitsstruktur zentral ist hier der fehlende innere Halt, der die Wertigkeit ihrer Person ausschließlich festmacht an überdauernder und umfangreicher Zuwendung und Bestätigung anderer und der eine konfrontative Trennung, ein Durchsetzen eigener Wünsche gegen eine nahe Bezugsperson als derart bedrohlich erscheinen lässt, dass die Tötung eines anderen die weniger ängstigende Lösung darstellt.“

Das Durchsetzen eigener Wünsche also. Frau C. wünschte sich einfach eine Familie, Kinder. Ihre Eltern wollten, dass sie Karriere macht. Der kleine Eissalon mit dem bemühten Namen „Schleckeria“ in einer nicht besonders glanzvollen Gegend Wiens sei jedenfalls nicht das gewesen, wozu die Eltern gedrängt hätten. Als Eisverkäuferin war Estibaliz C. mit ihrem in Barcelona abgeschlossenen Studium der Volkswirtschaft gewiss überqualifiziert.

Sie wollte also eine nette Familie. Aber dafür töten? Wieder liefert das Kastner-Gutachten Aufschlüsse: „Zentral ist allerdings auch die aus der kompensatorischen Erhöhung der eigenen, unerträglich empfundenen Minderwertigkeit resultierende, den eigenen Bedürfnissen zugeschriebene Überwertigkeit, die die in den Delikten zutage tretende massive Egozentrik und Rücksichtslosigkeit erklärt.“

„Wieder so etwas machen.“ Das ist noch nicht alles. Da gibt es noch etwas, etwas Finsteres. Offenbar, so C., sei ein „oranges oder rotes Teil“ in ihrem Hirn, das sich einmal ein- und einmal ausschalte. Kastner hält in ihrer vom Gericht bestellten Expertise die Vermutungen der nun unter zweifacher Mordanklage stehenden Frau fest: „Wenn sich das wieder einschalte, würde sie [...] wieder so etwas machen.“ Das Gutachten dazu: „Der Relevanzbereich der Gefährlichkeit betrifft hauptsächlich Partner.“ Und: „Die ist nach der gegenwärtigen Situation eindeutig ungünstig.“

Dabei hat Frau C. ja ein Kind. Im Juni des Vorjahres, als sie nach ihrer panischen Flucht nach Italien in U-Haft genommen wurde, war sie von ihrem Freund schwanger. Doch das Kind wurde ihr sofort, noch ehe sie aus der für den Kaiserschnitt verabreichten Narkose erwachte, abgenommen.

Niemand liebe das Kind so wie sie, ließ die Mutter danach wissen. Dem Vater, den sie in U-Haft heiratete, schrieb sie: „Bitte denk nicht, dass ich ein Monster bin.“

Doch in Sachen Kindeserziehung hat die Psychiaterin schlechte Nachrichten für Frau C. Deren Persönlichkeitsstörung spreche gegen die Fähigkeit, „ein Kind emotional im rechten Maß zu versorgen (es also auch nicht im Übermaß eigener Emotionen zu ,ersticken‘ [...]“

Das Kind, ein gesunder Bub, wächst in Spanien bei seinen Großeltern auf. Aber das ist eine andere Geschichte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2012)

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