Weil ein Salzburger Sexualstraftäter, verurteilt wegen fünffacher Vergewaltigung, keinen einzigen Tag ins Gefängnis muss, werden die Fußfessel-Vergabekriterien mit 1. Jänner 2013 verschärft.
Wien. Mit 1. Jänner 2013 wird es für Sexualstraftäter schwieriger werden, eine Haftstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests zu verbüßen. Anfang Dezember hat der Nationalrat mit den Stimmen der Koalition beschlossen, dass Verurteilte bei schweren Sexualdelikten, etwa bei Vergewaltigung oder geschlechtlicher Nötigung, mindestens die Hälfte der verhängten Haftstrafe hinter Gittern verbringen müssen (jedenfalls aber drei Monate).
Erst danach kann ein Antrag auf Gewährung des Hausarrests gestellt werden. Dieser Arrest wird dann mit einer elektronischen „Fessel“ (diese trägt der Betroffene am Fußgelenk) überwacht. Schon bisher gilt: Nur bei Strafen bzw. Reststrafen bis zu einem Jahr Haft ist ein Wechsel vom Gefängnis in den Hausarrest erlaubt.
Anlass für die Änderung der Strafprozessordnung und des Strafvollzugsgesetzes ist der Fall des Salzburger Hilfsarbeiters B. (52). Der Mann hatte im Jahr 2005 ein damals 15- bzw. später 16-jähriges Mädchen fünfmal vergewaltigt; bei einem weiteren Übergriff auf das Mädchen war es bei einem Versuch geblieben. Dafür und wegen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses wurde der Täter zu der milden Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Nur acht Monate davon wurden unbedingt (ohne Bewährung) verhängt. Nachträglich wurde selbst dieser Teil auf sechs Monate reduziert. Und für diese Zeit wurde B. eine Fußfessel gewährt. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte diese Entscheidung – unter Verweis auf die Rechtslage. Das Thema sorgte für eine wochenlange öffentliche Debatte. Auch flehentliche Appelle des Opfers konnten die Fußfessel-Vergabe nicht verhindern.
Die strengeren Fußfessel-Regeln gehen FPÖ, BZÖ und dem Klub Stronach zu wenig weit. Sextäter, so hieß es zuletzt, sollten überhaupt keine Fußfessel bekommen. FPÖ-Mandatar Christian Lausch etwa meinte, dass „mit dem leidigen Herumlavieren“ die Opfer verhöhnt würden. Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) verteidigte naturgemäß die neuen Bestimmungen: Gegen Ende der Haftzeit sei ein Wechsel in den Hausarrest sinnvoll. Nur so könne man bestimmte Auflagen (Beispiel: Alkoholverbot) verhängen. Kriminelle, die ihre Strafen bis zum letzten Tag im Gefängnis absitzen, sind danach völlig frei. Ihnen können keine Auflagen mehr erteilt werden.
Zur Verschärfung der Fußfessel-Vergabekriterien kommt auch eine technische Aufrüstung der Fußfessel. Diese wird insbesondere bei Sextätern eine GPS-Ortung ermöglichen. Bisher konnte man nur kontrollieren, ob der Fesselträger zu den vorher festgelegten Zeiten tatsächlich zu Hause ist. Sobald die Betreffenden in die Arbeit gingen – ein geregelter Job ist Voraussetzung für das Gewähren der elektronischen „Fessel“ – bestand keine technische Möglichkeit mehr, den genauen Standort unmittelbar festzustellen.
Rechnungshof prüft noch einmal
Und auch der Rechnungshof (RH) wird sich erneut einschalten. Er hat bereits mehrere Punkte der Fußfessel-Beschaffung im Sommer 2010 beanstandet. Zur Erinnerung: Bei der Vergabe an einen Fußfessel-Hersteller hatte eine Firma des Konzerns 3M den Zuschlag erhalten. Zum Beschaffungsvorgang schrieb der RH unter anderem: „Es wäre sicherzustellen, dass im Zuge einer Projektabwicklung Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Zielsetzungen und Entscheidungskompetenzen der daran beteiligten Gremien, wie beispielsweise eines Lenkungsausschusses, klar festgelegt werden und dies entsprechend dokumentiert wird.“
In den nächsten Monaten muss das Justizressort mit einer Follow-up-Prüfung rechnen. Dabei kontrolliert der RH, ob mittlerweile Vorkehrungen getroffen wurden, damit seine Empfehlungen, insgesamt sieben Punkte, tatsächlich umgesetzt werden können.
Zahlen und Daten
Insgesamt 1163 Personen haben seit Einführung des elektronisch überwachten Hausarrests, also seit dem 1. September 2010, eine Fußfessel bewilligt bekommen. Mit Stichtag 27. Dezember (vorgestern, Donnerstag) befinden sich österreichweit 206 Personen im Hausarrest. Darunter sind sechs Sexualstraftäter. Ab 1. Jänner treten strengere Vergabekriterien für Sextäter in Kraft.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2012)