VfGH hebt steirisches Bettelverbot auf

Symbolbild
Symbolbild(c) BilderBox (Wodicka BilderBox com)
  • Drucken

Ein Verbot wäre "unsachlich und widerspricht der Menschenrechtskonvention", argumentiert das Gericht. Die Vorgängerregelung tritt damit wieder in Kraft.

Der Verfassungsgerichtshof hat das Bettelverbot in der Steiermark aufgehoben. Ein derartiges Verbot "ohne Ausnahme ist unsachlich und widerspricht der Menschenrechtskonvention", so die Begründung. Die sogenannten Erlaubniszonen, die Gemeinden erlassen könnten, würden daran nichts ändern. Der Grazer Armenpfarrer Wolfgang Pucher zeigte sich am Donnerstag nach Bekanntwerden der Entscheidung völlig aus dem Häuschen: "Das ist das größte Geschenk seit Jahren."

In anderen Bundesländern hatte der VfGH im Vorfeld schon mehrere Verfahren durchgeführt. Dabei wurde entschieden, dass es keine Bedenken gegen Regelungen gebe, die bestimmte Formen der Bettelei - wie etwa Betteln mit Kindern - verbieten. In der Steiermark dagegen besteht ein generelles Bettelverbot, die Einrichtung von Erlaubniszonen ist nicht verpflichtend. Genau das sei aber verfassungswidrig.

Vorgängerregelung tritt wieder in Kraft

Außerdem entschied der VfGH, dass er keine "Reparaturfrist" gibt. Das heißt, es ist die Vorgängerregelung des Landes-Sicherheitsgesetzes wieder in Kraft zu setzen. Sie stellt aufdringliches Betteln und Betteln mit Minderjährigen unter Strafe, enthält aber kein generelles Bettelverbot. Pucher kam im Gespräch mit der APA - Austria Presse Agentur kaum aus dem Jubeln: "Sie haben einen glücklichen Menschen vor sich. Ein jahrelanger Kampf hat zu einem positiven Ende geführt."

Der Armenpfarrer wies ausdrücklich darauf hin, dass der anlassgebende Antrag eines Bettlers eigentlich ausschließlich auf die Kappe der Vinzi-Gemeinschaft gehe. "Wir haben uns um die gesamte Organisation und um die Kosten gekümmert, der Rom half uns, in dem er seinen Namen und Identität zur Verfügung stellte", erklärte Pucher.

"Werden nicht von Wien abschreiben"

Die Aufhebung des Bettelverbots hat bei den Parteien unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen: Während die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP die Entscheidung vorerst einmal akzeptierten und gegebenenfalls über eine Reparatur nachdenken wollen, freuten sich die Grünen und die KPÖ über das Urteil. Die FPÖ forderte eine "umgehende Novellierung" und einen dafür einzurichtenden Unterausschuss.

Die Klubobleute der sogenannten "Reformpartnerschaft", Walter Kröpfl (SPÖ) und Christopher Drexler (ÖVP) meinten gegnüber der Austria Presse Agentur, dass die oberstgerichtliche Entscheidung "selbstverständlich zu akzeptieren" sei. Man werde prüfen, ob man eine neue, verfassungskonforme Lösung finden und beschließen werde. "Wir überlegen, werden aber sicher nicht Gesetze wie etwa jenes von Wien, das gehalten hat, abschreiben", so Drexler. Kröpfl: "Wir werden uns das anschauen. Ein neues Bettelverbot ist kein vordringliches Ziel." Auch Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) will zwar juristisch prüfen lassen, für ihn sei aber mit dem Urteil "die Geschichte gelaufen", wie er gegenüber dem ORF Steiermark sagte. Sein Vize Hermann Schützenhöfer (ÖVP) will abwarten, ob man mit dem alten, besser kontrollierten Gesetz - das Kinder- und aggressives Betteln verbietet -, das Auslangen finden wird oder ob man Überlegungen in Richtung Novellierung anzustellen sein würden.

"Keine neuen Tricks" fordern die Grünen

Sabine Jungwirth, Grünen Landtagsklubobfrau, meinte an die Adresse von SPÖ und ÖVP, das Urteil sollte sie ob ihrer "Drüberfahr-Politik" nachdenklich stimmen. "Die rotschwarze Partnerschaft der Feigheit hat im Frühjahr 2011 allen Bedenken und gegen die Einwände zahlreicher Experten ein menschenrechtswidriges Gesetz beschlossen, das nun endlich aufgehoben wurde." Es dürften auf keinen Fall neue juristische Tricks und Winkelzüge für einen neuerlichen Anlauf gestartet werden. KP-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler wollte lieber die Armut statt die Armen bekämpfen: "Das Bettelverbot kommt einer Kriminalisierung von Menschen gleich."

FPÖ-Sicherheitssprecher Gunter Hadwiger dagegen sagte in einer ersten Reaktion: "Wir brauchen in der Steiermark nicht ein Bettelverbot, um absichtlich gegen Grundrechte zu verstoßen, sondern um dem organisierten Menschen- und Kinderhandel, der von Bettelbanden aus dem Osten praktiziert wird, zu unterbinden." Er forderte die Einberufung eines Unterausschusses im Landtag.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.