Missbrauch: Fälle in Mehrerau sind nicht verjährt

Archivbild aus 2010: Kloster Mehrerau
Archivbild aus 2010: Kloster Mehrerau(c) EPA (DIETMAR STIPLOVSEK)
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Die Haftungs- bzw. Entschädigungsfrage ist noch nicht entschieden. Der Anwalt des Klosters rät zu einer Berufung des Urteils.

In den beiden Zivilverfahren ehemaliger Missbrauchsopfer gegen das Bregenzer Zisterzienser-Kloster Mehrerau ist eine erste Entscheidung gefallen: Wie die "Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt" am Mittwoch mitteilte, hat das Landesgericht Feldkirch in beiden Fällen per Zwischenurteil festgestellt, dass keine Verjährung vorliegt. Dies wurde von Landesgerichtspressesprecher Reinhard Flatz bestätigt. Die geschilderten Übergriffe hatten sich in den Jahren 1968 bzw. 1982 zugetragen. Noch offen ist die Haftungs- bzw. Entschädigungsfrage.

Geklagt wurde das Kloster im vergangenen Jahr von zwei heute 58- bzw. 46-jährigen Männern. Beide fordern unabhängig voneinander Schmerzengeld und Verdienstentgang in Höhe von 200.000 bzw. 135.000 Euro. Hinsichtlich der Verjährung der Vorfälle gab der 58-Jährige vor Gericht an, dass ihm erst durch das Bekanntwerden der Missbrauch-Skandale Anfang 2010 die Übergriffe wieder bewusst geworden seien. Im Fall des 46-Jährigen erklärte Anwalt Sanjay Doshi, der beide Opfer vertritt, dass die Klage noch rechtzeitig vor der 30-jährigen absoluten Verjährungsfrist eingebracht worden sei. Das Landesgericht Feldkirch folgte offenbar dieser Argumentation.

Berufungsverhandlung wahrscheinlich

Das Bregenzer Kloster Mehrerau hat nach dem Zwischenurteil noch keine Entscheidung über das weitere Vorgehen gefällt. Das erklärte am Mittwoch Anwalt Bertram Grass, der die Interessen der Zisterzienser-Abtei vor Gericht vertritt. Man habe das Urteil gerade erst erhalten und es überflogen. "Ich werde dem Kloster jedenfalls empfehlen, die Entscheidung zu bekämpfen", so Grass. Damit dürften die Verfahren mit einer Berufungsverhandlung am Oberlandesgericht Innsbruck weitergehen. Mehrerau-Abt Anselm van der Linde hatte bereits vor Weihnachten mitgeteilt, dass man sich nicht auf einen Vergleich einlassen werde, wie es Richterin Birgit Vetter angeregt hatte.

Den Schilderungen der zwei Männer zufolge wurden beide in ihrer Zeit als Internatzöglinge des Klosters von demselben Pater schwer sexuell missbraucht und vergewaltigt. Der Geistliche wurde 1967 wegen eines Missbrauch-Vorfalls rechtskräftig verurteilt, ging aber am Kloster weiter seiner Arbeit als Seelsorger und Pädagoge nach. Der damalige Abt Kassian Lauterer sagte vor Gericht aus, von jenem Missbrauchsfall gewusst zu haben. Von der rechtskräftigen Verurteilung habe er aber erst 2004 erfahren. Es sei ein Fehler gewesen, den Mann damals weiter mit Jugendlichen arbeiten zu lassen, bekannte Lauterer.

Versetzung erst nach neuerlichem Fall

Dass der Pater das Kloster Mehrerau schließlich verlassen musste, ging auf den Missbrauch des heute 46-Jährigen zurück. Seine Eltern hatten Lauterer über den sexuellen Missbrauch ihres Sohnes informiert. Daraufhin wurde der Geistliche aus dem Schuldienst entfernt und versetzt. Im Gegenzug verzichteten die Eltern auf eine Anzeige. Nach Angaben von Van der Linde ist der Pater heute schwer depressiv und suizidgefährdet. Wo sich der Mann aufhält, gab der Abt vor Gericht nicht an. Er konnte deshalb nicht als Zeuge befragt werden.

(APA)

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