Kampusch-Protokoll weg? Anfrage-Schlacht im Parlament

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Fall "Natascha Kampusch": Katz-und-Maus-Spiel um heikle Teile des Aktes. Einen Abschlussbericht des Expertenteams wird es erst "im Frühjahr" geben.

Der Akt, so heißt es im Innenministerium, sei auf 270.000 Seiten angewachsen. Und diese zu durchforsten, diese für das an der Analyse beteiligte FBI teilweise ins Englische zu übersetzen dauere leider länger als erwartet. Daher werde der Abschlussbericht des Expertenteams zum Entführungsfall „Natascha Kampusch“ erst „im Frühjahr“ vorliegen. Dass sich bei den 270.000 Seiten auch ganz zentrale Aktenteile, nämlich die Protokolle der Einvernahme des Opfers durch Oberstaatsanwalt Thomas Mühlbacher finden, darf angenommen werden. Merkwürdig nur, dass man im Parlament orakelt, wo denn diese Protokolle geblieben sind.

Noch merkwürdiger ist die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ. Die will wissen, warum dem Unterausschuss („Stapo-Ausschuss“) des Parlaments „das Protokoll der Vernehmung von Natascha Kampusch durch den Oberstaatsanwalt Dr. Mühlbacher“ nicht vorgelegt wurde. Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) gibt an: „Wenn (...) nun auf Schriftstücke Bezug genommen wird, die dem Unterausschuss (...) nicht vorgelegt worden sein sollen, ist demgemäß davon auszugehen, dass es sich nicht um solche aus dem Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz handelt, sodass ich um Verständnis ersuche, zu diesen nicht Stellung zu nehmen.“ Interessant. Ein Oberstaatsanwalt, der dem Justizressort untersteht, verfasst ein Protokoll – und dieses soll dann einem anderen Ministerium unterstehen? Welchem? Vor allem aber: Warum wurde dem „Stapo-Ausschuss“ das Protokoll vorenthalten? Und: Wenn der Ausschuss (entgegen der FPÖ-Anfrage) das Protokoll sehr wohl zur Verfügung hatte – warum stellt Karl dies dann nicht in ihrer Anfragebeantwortung klar? Dort ist nur zu lesen, dass es „Vollständigkeitserklärungen“ der betreffenden Staatsanwaltschaften gebe. Darin bestätigen diese Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, alle Unterlagen dem Parlament geschickt zu haben. Womit die Sache noch rätselhafter wird. Aber vielleicht bringt ja der Abschlussbericht der internationalen Experten Klarheit.

Indessen hat das BZÖ ein zweite Front eröffnet. In einer weiteren, der „Presse“ vorab vorliegenden Anfrage will man wissen, ob Ernst Geiger – er hatte als Ermittlungsleiter im Bundeskriminalamt Einfluss auf die Kampusch-Ermittlungen – ein „besonderes persönliches oder gesinnungsfreundliches Naheverhältnis“ zum Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Werner Pleischl, habe. Und ob ein ebensolches Verhältnis zu einem ehemaligen Verdächtigen in der Causa Kampusch (zu einem Milizoffizier, Anm.) bestehe? Geiger will dazu vorerst nichts sagen. Bleibt abzuwarten, wie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner die Anfrage beantwortet.

E-Mails an: manfred.seeh@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2013)

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