Zuerst ins Freibad, dann zum Doktor. Mit Leuten, die wegen Kleinigkeiten ins Krankenhaus fahren, hat fast jedes Spital zu kämpfen. Besonders am Wochenende seien die Ambulanzen voll.
Wien. Krankenhausbesuche wegen Husten, Schnupfen, Grippe, eingewachsener Zehennägel: So gut wie jedes Spital hat mit Patienten zu kämpfen, die genauso gut vom Hausarzt behandelt werden können. „Bei uns kommt das sicher täglich vor“, sagt etwa Bernhard Zahrl, Sprecher des Ordensspitals Barmherzigen Brüder im zweiten Bezirk in Wien. „Viele kommen etwa in der Mittagspause her, weil der Hausarzt nicht offen hat und die Leute Angst haben, sich freizunehmen. Da ist schon ein sozialer Druck da“, sagt Zahrl. Andere wiederum würden gar nicht wissen, dass sie auch zu Fachärzten gehen könnten, weil das System schwierig zu durchschauen sei. Und dann gebe es jene, die, salopp formuliert, vom Freibad ins Krankenhaus fahren, weil es so am angenehmsten sei. Alles schon passiert.
Auch die Wiener Gemeindespitäler berichten Ähnliches. Lothar Mayerhofer, ärztlicher Leiter des Donauspitals, etwa schätzt, „dass bis zu 50 Prozent aller Patienten, die zu Fuß kommen, eigentlich beim Hausarzt behandelt werden können“. Andreas Greslehner, der ärztliche Direktor der AUVA-Krankenhäuser, kommt auf die gleiche Zahl.
Besonders am Abend, Freitagmittag und am Wochenende seien die Ambulanzen voll, berichtet Lothar Mayerhofer vom Wiener Donauspital. Was ihn nicht weiter wundert. „Man sieht das ganz deutlich, dass die Patienten zu uns kommen, wenn die niedergelassenen Ärzte ihre Praxen schließen“, sagt er. Wolle man das Problem also lösen, müsse man die niedergelassenen Ärzte mehr in die Pflicht nehmen und andere Öffnungszeiten anbieten. „Es gibt nun einmal Fälle, in denen Eltern mit ihrem Kind wegen eines Hustens noch um 22 Uhr zum Arzt fahren wollen“, sagt Mayerhofer. Hinzu kämen die langen Wartezeiten, um beim Arzt einen Termin zu bekommen. Da würden manche eben lieber gleich ins Spital fahren.
Richtig stört ihn das nicht. „Das war immer die Funktion der Gemeindespitäler“, sagt er. Und auch das Phänomen der vollen Ambulanzen sei kein neues. „Die hat es schon immer gegeben.“ Die Zahl der Patienten bleibe übrigens seit Jahren gleich.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2013)