Anfechten der Fragen nicht erlaubt: Wiener Verfassung rechtswidrig?

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Der Gesetzestext dürfte VfGH-Judikatur widersprechen.

Wien. Keine Wiener Volksbefragung ohne Aufregung: Wie schon beim Plebiszit 2010 (Themen waren Ganztagesschulen, Citymaut, Nacht-U-Bahn, Hausbesorger und Führerschein für Kampfhunde) gibt es auch diesmal Kritik an Fragestellung und Themenwahl. Dazu kommt die Rechtslage in Wien: Das Landesgesetz sieht nämlich nicht vor, dass man die Fragestellung beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) beeinspruchen kann. Zwar dürfte jede Rathauspartei nach dem Wortlaut des Gesetzes das Ergebnis anfechten, nicht aber die Fragen selbst.

Doch ist das rechtskonform? Wohl nicht, wenn man einen Blick auf die Rechtsprechung des VfGH wirft. Ein Urteil zu einer 1997 in Graz abgehaltenen Volksbefragung lege nahe, dass man den Text von Volksbefragungen immer beim VfGH müsse anfechten können, meint Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk im Gespräch mit der „Presse“. Im Grazer Fall entschied das Höchstgericht, dass verwirrende Fragestellungen illegal sind und vom VfGH aufgehoben werden können.

Das steirische Recht ermöglichte eine Anfechtung der Fragen. Doch selbst wenn, wie in Wien, kein Widerspruch vorgesehen ist, dürfte der VfGH trotzdem eine Beschwerde zulassen, meint Funk: „Das würde spannend werden.“ Inhaltlich aber gibt der Experte einer Beschwerde keine positive Aussicht. Zwar sei die Frage zum Parkraum „missverständlich“, weil man auf den ersten Blick meinen könnte, es stehe eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung in ganz Wien zur Debatte. Zudem sieht die Stadtverfassung vor, dass man über Gemeindeabgaben und Entgelte keine Fragen ans Volk stellen dürfe.

Parkraum-Formulierung möglich

Aber man stimme eben noch nicht über Gebühren selbst, sondern über eine vorgelagerte Frage ab, betont Funk. Und bei genauem Hinsehen könne ein informierter Bürger auch verstehen, worum es geht. Conclusio: „In Summe scheint die Frage mit der Wiener Stadtverfassung vereinbar zu sein.“

Die verwirrende Grazer Frage, die vom VfGH für illegal erklärte wurde, hieß übrigens: „Treten Sie dafür ein, dass die von der Stadt Graz geplante Verlängerung der Linie 6, die in dieser Form nicht zur Lösung der bestehenden Verkehrsprobleme beiträgt, nicht zur Ausführung gelangt?“ Wer Ja zur Verlängerung der Linie sagen wollte, musste also „Nein“ ankreuzen – und umgekehrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2013)

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