Volksbefragung: Spiel mit der Angst vor Privatisierung

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"Presse"-Serie: Die Privatisierungsfrage soll die SP-Basis mobilisieren, um die Beteiligung bei der Volksbefragung im März zu heben.

Wien. Der Vorstoß von EU-Kommissar Michael Barnier war Wasser auf den Mühlen der Wiener SPÖ – im wahrsten Sinn des Wortes. Die Partei hatte aus der jüngsten EU-Konzessionsrichtlinie (wie viele andere) herausgelesen, dass die EU die Wasserversorgung privatisieren will – auch in Wien. Das ist zwar völlig falsch, für die SPÖ war es aber ein Geschenk des Himmels. Immerhin stellt sie bei der Wiener Volksbefragung vom 7. bis 9.März die Frage: „Sind Sie dafür, dass die kommunalen Betriebe (Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Energie, Spitäler, Gemeindebauten, öffentliche Verkehrsmittel) vor Privatisierungen geschützt werden?“

Die Frage ist insofern problematisch, weil ohnehin niemand das Wiener Wasser privatisieren will. Doch dank der Aufregung um die falsch interpretierte EU-Richtlinie kann die SPÖ das erreichen, was sie mit der Formulierung dieser Frage von Anfang an vorhatte: Eine Mobilisierung der eigenen Klientel für die Volksbefragung. Denn für die SP-Basis sind Privatisierungen ein Feindbild.

Damit ist die Gefahr einer schwachen Beteiligung geringer – und die würde wohl der SPÖ auf den Kopf fallen, vor allem wegen der teils suggestiven Fragestellung. Eine weitere Hilfe dabei ist der gute Draht zum Boulevard. „Die EU schielt nach unserem Wasser“, titelte beispielsweise die „Krone“. Wobei die Privatisierungsfrage auch aus einem zweiten Grund eigentlich obsolet ist: Stimmen die Wiener – völlig überraschend – gegen den Schutz vor Privatisierung, werde man trotzdem nichts privatisieren, erklärte SP-Klubchef Rudolf Schicker. Um auf Nummer sicher zu gehen, startet die SPÖ aber noch eine „Aktionswoche“ – in allen Wiener Bezirken wird seit Dienstag auf der Straße Stimmung gegen Privatisierungen gemacht. Dabei hilft der SPÖ, dass sie alles undifferenziert in einen Topf wirft: Vom Wasser über die Spitäler bis zu den öffentlichen Verkehrsmitteln. Also Einrichtungen, mit denen die Wiener laut Umfragen sehr zufrieden sind, also keine Änderungen wollen.

Bei einer sachlichen Diskussion gäbe es allerdings einige Argumente für Privatisierungen. Einerseits hat die Stadt Wien 4,3 Milliarden Euro Schulden, könnte also zusätzliches Geld brauchen. Andererseits können Private Dienstleistungen der Stadt zum Teil um einiges billiger für den Kunden anbieten.

Wien hat bereits privatisiert

Beim Schienenverkehr hat die Konkurrenz der Westbahn nicht zum Zusammenbruch, sondern zu besserem Service der ÖBB geführt. Und abgesehen davon: Einige Teile der kommunalen Daseinsvorsorge sind bereits (zum Teil) privatisiert. Im öffentlichen Verkehr befährt etwa das private Busunternehmen Dr. Richard einen Teil des Wiener Streckennetzes. Auch im Gesundheitsbereich gibt es Beispiele dafür, dass Private teils effizienter arbeiten als die öffentliche Hand. So hat der Rechnungshof 2010 festgehalten: Die geprüften Spitäler der Stadt Wien schneiden bei der Effizienz schlechter ab als die privaten Ordensspitäler.

Eine Privatisierung von Gemeindebauten bewerten Experten dagegen eher negativ. Das habe sich etwa in Deutschland nicht bewährt, sagt Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen. Auch, weil für derartige Immobilien keine marktgerechten Preise zu erzielen waren.

Nebenbei: Die SPÖ-Warnung vor explodierenden Preisen im Falle einer Wasser-Privatisierung wird durch den 1. Jänner 2012 relativiert. Mit diesem Daum hat die Stadt Wien die Wassergebühren um 33 Prozent angehoben.

Auf einen Blick: Thema Privatisierungen

Was gefragt wird: „Die kommunalen Betriebe bieten der Wiener Bevölkerung wichtige Dienstleistungen. Zum Beispiel Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Energie, Spitäler, Gemeindewohnbauten und öffentliche Verkehrsmittel. Sind Sie dafür, dass diese Betriebe vor einer Privatisierung geschützt werden?“ Diese Frage wird gestellt, obwohl Aufgaben der kommunalen Betriebe bereits (teilweise) an Private übergeben wurde, beispielsweise beim öffentlichen Verkehr.

Worum es wirklich geht: Die Privatisierungsfrage soll die SPÖ-Basis mobilisieren, damit sie an der Wiener Volksbefragung teilnimmt. Denn bei SPÖ-Anhängern sind Privatisierungen generell ein Feindbild. Gleichzeitig wird damit auch die Anti-EU-Stimmung genutzt (Stichwort: Wasser-Privatisierungen). Damit möchte die SPÖ verhindern, dass sich wegen der umstrittenen Fragen nur wenige Menschen an der Wiener Volksbefragung beteiligen – was für sie eine Niederlage wäre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2013)

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