Thomas Raab: Einsiedler auf Innenstadtbesuch

Thomas Raab Einsiedler Innenstadtbesuch
Thomas Raab Einsiedler Innenstadtbesuch(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Seinen Antihelden Metzger lässt er diesmal in Norditalien ermitteln. An Wien mag Krimiautor Thomas Raab selbst Würstelstände und die Oper. Ein Cityguide durch Raabs Vergangenheit.

Jeder, der Künstler werden will, findet der Autor Thomas Raab, sollte zuerst ein Jahr als Probelehrer arbeiten. „Dann“, sagt Raab, „hat man nämlich kein Lampenfieber mehr. Jede Unterrichtsstunde ist ein Auftritt vor dem kritischsten Publikum, das es gibt.“

Raab weiß, wovon er spricht. Vor seinem Durchbruch als Schriftsteller – heute zählt er mit seinen „Metzger“-Romanen zu den erfolgreichsten Krimiautoren Österreichs – war er jahrelang als AHS-Lehrer für Mathematik und Turnen tätig. Um nebenher Zeit für seine große Leidenschaft, die Musik, zu haben.

Dann kam ihm 2007 die Erfindung seines eigenwilligen Ermittlers Willibald Adrian Metzger (dessen sechster Fall, „Der Metzger kommt ins Paradies“, eben erschienen ist) dazwischen, er ließ sich als Lehrer karenzieren. Heute kann er vom Schreiben leben, erzählt der 42-jährige gebürtige Wiener bei einem Caffè Latte im Bräunerhof im ersten Bezirk.

Hier hat Raabs allererste Lesung stattgefunden. Das Traditionscafé in der Stallburggasse hat Raab aber damals weniger wegen dessen literarischer Vorbelastung – bekanntlich war es unter anderem das Lieblingskaffeehaus von Thomas Bernhard – gewählt, „sondern schlicht, weil ich die Besitzer kenne und daher hier lesen durfte“. Beim ersten Buch „interessiert sich ja noch niemand für dich. Ich habe einen Ort gesucht, an dem meine Freunde gut aufgehoben sind.“

Von Wien nach Norditalien. Mittlerweile ist das anders: Seine Romane zählen zu den bekanntesten österreichischen Krimis, die Verfilmung des ersten Teils soll noch heuer gedreht und im deutschen TV ausgestrahlt werden. Mit der Figur des schrulligen Restaurators Metzger hat er zudem eine sehr wienerische, grantelnde und trotzdem irgendwie sympathische Romanfigur geschaffen, die es nach den Tiroler Bergen in Band fünf dieses Mal an die überfüllten „Hausmeisterstrände“ Norditaliens verschlägt.

Der Metzger fährt wider Willen erstmals auf Urlaub, „und da musste ich natürlich eine gewisse Lethargie hineinschreiben“, so Raab. „Es wäre nicht Metzger-like, wenn er dort seinen Spaß hätte.“ Metzger durchlebt bei bestem Sonnenschein seine erste Beziehungskrise und versucht nebenbei, den mysteriösen Tod eines Strandhändlers (und eines Hundes) aufzuklären.

Das Setting „Hausmeisterstrand“ kennt Raab, wie so viele, die mit Kleinkindern an die Adria reisen, aus eigenen Urlauben. An Ferien ist vorerst aber nicht zu denken: Raab bricht dieser Tage auf große Lesereise durch Österreich und Deutschland auf, zudem hat sein erstes Theaterstück „Der Koffer“ (ganz ohne Metzger) am kommenden Samstag in Bozen Premiere.

Wien wird er den Frühling über also wenig sehen. In die Wiener Innenstadt verschlägt es Raab aber ohnehin nur noch selten, seit er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in ein Haus unweit des Lainzer Tiergartens gezogen ist. „Dort draußen wird man ein bisschen zum freiwilligen Einsiedler und Eigenbrötler“, sagt Raab, während er vom Bräunerhof in Richtung Staatsoper spaziert. Zwischen Oper und Albertina liegt der nicht nur bei Operngästen zu später Stunde beliebte Würstelstand Bitzinger, „ein Pflichttermin bei jedem meiner seltenen Stadtbesuche“, wie der 42-Jährige erzählt.

Früher war er weitaus öfter hier: Während der Studienzeit hat Raab in der Staatsoper als Statist gearbeitet. „Da haben sich alle Statisten in einem Gang aufgereiht, man stand wie auf dem Strich, und die Statistenchefin ist die Reihe abgegangen und hat die passenden ausgewählt.“ 360 Schilling gab es damals für einen Abend, wenn man eine kleinere Rolle hatte sogar 600. „Das war für einen Studentenjob gut bezahlt. Und nebenbei fühlt man sich wichtig wie ein richtiger Opernsänger, auch wenn man nur als Wache einen Akt lang stumm auf der Bühne steht.“

Obst vom Naschmarkt. Von der Oper geht es weiter stadtauswärts in Richtung Naschmarkt. Für Raab ist es auch ein Spaziergang zurück in seine Kindheit, ist er doch in der Freundgasse im vierten Bezirk aufgewachsen. Zu Weihnachten durfte sich Raab als Bub eine der „Christbaumleichen“, die die Christbaumhändler nach dem 24.Dezember einfach auf dem Naschmarkt liegen ließen, holen und in seinem Kinderzimmer aufstellen. Als Volksschüler führte ihn sein Schulweg tagtäglich über den Markt – den billigeren Teil nahe der Kettenbrücke –, wo er sein Taschengeld in damals exotische Früchte wie Granatäpfel oder Litschis investierte. „Meine Eltern stammten aus einfachen Verhältnissen, sie haben diese Früchte alle nicht gekannt.“

Thomas Raab stellt „Der Metzger kommt ins Paradies“ u.a. am Fr, 8.3. (20 Uhr) im Wiener Rabenhof vor. Weitere Termine: www.thomasraab.com

DIE TOUR

Bräunerhof (1). Im traditionsreichen Café in der Stallburggasse fand Raabs erste Lesung statt.

Würstelstand (2) der Familie Bitzinger auf dem Albertinaplatz.

Staatsoper (3).Raab war hier als Student jahrelang Statist.

Naschmarkt (4).Im günstigeren Teil des Markts unweit der Kettenbrücke gab Raab als Kind sein Taschengeld aus.Clemens Fabry

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2013)

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