Drogen: Haartests werden ausgebaut

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Mutmaßliche Suchtkranke können bald auch in Linz, Wels und Steyr zum Haartest beim Amtsarzt antreten. Die (Wieder)Ausgabe von Führerscheinen soll so strenger werden.

Wien/awe. Haare oder Harn? An dieser Frage schieden sich zuletzt die Geister. Seit Freitag steht fest: Tatsächliche oder mutmaßliche Suchtkranke können in Zukunft gleich in mehreren Städten des Landes zu Drogenhaartests statt der bisher üblichen Harntests antreten. Und zwar immer auf freiwilliger Basis.
Nach Wien, das diese Form der Analytik bereits seit 2011 anbietet, werden in den nächsten Tagen und Wochen die Städte Linz, Wels und Steyr folgen. Und zwar ausschließlich im Zusammenhang mit der (Wieder)Ausgabe von Führerscheinen. Verkehrs- oder gar Personenkontrollen durch die Polizei sind davon nicht betroffen.

Dabei geht es um Personen, die wegen eines festgestellten oder vermuteten Suchtproblems gegenüber der Verkehrsbehörde ihre Abstinenz nachweisen müssen, um die Lenkerberechtigung (wieder) zu erlangen. Zielgruppe sind jedoch nicht nur Konsumenten illegaler Drogen. Die Haaranalytik weist auch nach, ob jemand Alkoholiker ist oder nicht.

Irreführung nur schwer möglich

Die Wiener Polizei führt dazu seit dem Jänner 2011 eine eigene Statistik. Etwa die Hälfte der 800 Analysen (Stichtag: 28. Februar 2013) betraf Untersuchungen an Personen mit einem vermuteten Alkoholproblem. 409 Mal testete man wegen des Verdachts auf Missbrauch illegaler Drogen. Die Hälfte dieser Tests, nämlich genau 205, verlief positiv. 129 Mal schlug der Test wegen (erlaubter) Drogenersatzstoffe, sogenannter Substitutionsmittel an. 76 Mal fand man jedoch Missbrauchsdrogen.

„Das ist eine alarmierend hohe Zahl“, wie Wiens Polizeipräsident, Gerhard Pürstl, meint. Immerhin erfolgt die Teilnahme am Haartest freiwillig. Wer lieber an einem Harntest teilnimmt, hat nämlich keinerlei Konsequenzen zu befürchten.

Für die Verkehrsbehörden liegt der Vorteil des Haartests auf der Hand: Je nach Länge der untersuchten Haare könne so mit einer Analyse das Konsumverhalten von mehreren Wochen bis Monaten untersucht werden. Es gilt die Faustregel: Ein Zentimeter Haar entspricht etwa einem Monat.

Der deutsche Drogenanalytiker Hans Sachs sieht in der Haaranalyse zu diesem Zweck gleich mehrere Vorteile. Erstens: Anstatt einiger weniger Substanzen ließen sich mit Haartests bis zu 200 unterschiedliche Suchtgifte nachweisen. Zweitens: Tricksereien wie bei Harntests seien ausgeschlossen. Diese werden in Österreich zwei bis drei Wochen vorher angekündigt. Tatsächlich sind die meisten Drogen jedoch nur zwei bis drei Tage im Harn nachweisbar. Drittens: Ein Haartest ersetzt gleich mehrere Harntests, die regelmäßig durchgeführt werden müssen.

Die Kosten für einen Haartest sind mit 279 Euro vergleichsweise hoch. Insgesamt rechnet das Innenministerium jedoch nicht mit einer Erhöhung der Ausgaben. Insbesondere bei Langzeitprobanden (ein Harntest kostet etwa 90 Euro) könne ein Haartest sogar Geld sparen.

Studie: Drogen weit verbreitet

Drogenanalytiker Sachs widerspricht auch Kritikern die meinen, Haartests seien technisch noch nicht ausgereift. Er räumte zwar ein, dass sich illegale Drogen in dunklen Haaren stärker konzentrieren als in hellen, allerdings gebe es diese individuellen Unterschiede auch bei Harn- oder Blutanalysen. Selbst Verunreinigungen von außen schließt er aus. Es stimme zwar, dass man in Haaren, die mit Haschischrauch oder Kokain in Berührung kamen, diese Drogen nachweisen könne. Die moderne Labordiagnostik sei jedoch mithilfe von Stoffwechselprodukten in der Lage festzustellen, ob die Substanz aus dem Körper oder von außerhalb ins Haar kam.

Welch bedeutende Rolle dem Konsum von Suchtgiften im Straßenverkehr zukommt, hat die Gesellschaft für Unfallchirurgie 2006 in einer Studie festgestellt. Dabei analysierten Ärzte das Blut von 664 Unfallopfern auf Drogen und Medikamente. Ergebnis: Zwölf Prozent hatten zuvor illegale Substanzen konsumiert, 27 Prozent standen unter Medikamenteneinfluss. Zum Vergleich: Der Anteil der Alkoholisierten unter allen registrierten Unfallopfern liegt laut Statistik Austria bei knapp sieben Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)

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