Missbrauch: Früherer Kremsmünster-Pater wird angeklagt

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Es ist der erste Prozess gegen einen hohen Geistlichen seit mehreren Jahren. Dem ehemaligen Internatsleiter drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Die Staatsanwaltschaft Steyr hat wie erwartet Anklage gegen einen ehemaligen Pater des Stiftes Kremsmünster (Bezirk Kirchdorf) u.a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs erhoben. Dem heute 79-Jährigen wird angelastet, von September 1973 bis Juni 1993 an insgesamt 15 Zöglingen "Handlungen unterschiedlicher Intensität" vorgenommen zu haben. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft, teilte die Staatsanwaltschaft am Dienstag mit.

Der Fall liegt bereits seit mehreren Jahren bei der Anklagebehörde. Im März 2010 zeigte Abt Ambros Ebhart die Causa bei der Polizei an. Es ist der erste Prozess gegen einen hohen Geistlichen seit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in der römisch-katholischen Kirche in den vergangenen Jahren.

Noch nicht rechtskräftig

Die Anklage ist nicht rechtskräftig, der Beschuldigte kann sie binnen 14 Tagen beeinspruchen. Sein Verteidiger wollte sich am Dienstag noch nicht festlegen, fasst aber ein Rechtsmittel ins Auge. Dabei dürfte es in erster Linie um die Frage der Verjährung gehen. Die Staatsanwaltschaft sieht diese aber nicht als gegeben an, weil in einigen Fällen laut einem Gutachten die Opfer schwere Schäden davontrugen und die Vorfälle bis in die 1990er-Jahre reichen.

Dem ehemaligen Geistlichen, der sich im März 2012 aus Kremsmünster zurückzog und im April desselben Jahres von Papst Benedikt XVI. in den Laienstand zurückversetzt wurde, wird außerdem der fahrlässige Besitz einer verbotenen Waffe, nämlich einer Pumpgun, vorgeworfen.

Ursprünglich wurde in 39 Fällen ermittelt. Einige Verfahren wurden eingestellt, weil die Vorfälle verjährt oder die Beweise zu dünn waren. Übrig blieben 24 Opfer. Die übrigen neun sind laut Staatsanwaltschaft Gewalt-, aber keine Sex-Opfer.

Aus dem Kloster hieß es, man begrüße, dass die Untersuchungen nun abgeschlossen sind und die Fälle vom Gericht geklärt werden. Das Stift habe "sofort personelle Konsequenzen gezogen und seither die Aufarbeitung aktiv unterstützt". Auch der Linzer Generalvikar Severin Lederhilger betonte, es sei im Sinne der Vorgaben der Kirche und der Diözese, dass nun die staatliche Gerichtsbarkeit zum Tragen komme. Die Kommission gegen Missbrauch und Gewalt habe alle Fälle an die staatlichen Stellen gemeldet und werde das gegebenenfalls auch weiterhin tun.

Pater entschuldigte sich

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte sich der Pater in einer schriftlichen Stellungnahme entschuldigt. Zudem habe das Stift zugesichert, Aufarbeitung der Fälle zu betreiben, etwa durch die Errichtung eines Mahnmals. Dies sei bis heute nicht geschehen, kritisieren die Opfer. Vielmehr versuche man weiterhin, die Angelegenheit totzuschweigen. Sie werfen auch anderen Geistlichen sowie Lehrern in Kremsmünster vor, über die Vorfälle bescheid gewusst zu haben.

Der Leiter der Staatsanwaltschaft Steyr, Guido Mairunteregg, wies die Vorwürfe Anfang April am Rande einer Pressekonferenz zurück: Es sei schwierig gewesen, alle Betroffenen, die weit verstreut seien, ausfindig zu machen, und es seien Gutachten nötig gewesen. Zudem sei der Fall nicht nur wegen der Dauer, sondern vor allem wegen der medialen Brisanz berichtspflichtig gewesen.

Spitze des Eisbergs

Bei den Taten, die ihm die Staatsanwaltschaft zur Last legt, dürfte es sich aber nur um die Spitze des Eisbergs handeln, auch wenn aus Gründen der Verjährung kaum weitere juristische Konsequenzen zu erwarten sind. Die Missbrauchsfälle reichen Jahrzehnte zurück. Dokumentiert sind zumindest vier Fälle aus den 1950er-Jahren, die drei bereits verstorbenen Patres zugeschrieben werden. Der Großteil der Übergriffe dürfte in den 1970er- bis 1990er-Jahren passiert sein. Damals war der nun angeklagte Ex-Geistliche Internatsleiter.

Neben ihm gerieten auch zwei weitere Patres ins Visier der Justiz. Die Ermittlungen gegen sie wurden aber eingestellt. Gegen einen läuft noch ein kirchenrechtliches Verfahren, gegen den anderen hat Rom interne Auflagen verfügt. Vorwürfe gegen acht weitere Personen - darunter drei weltliche Lehrer - wegen körperlicher oder seelischer Gewalt wurden als strafrechtlich nicht relevant oder ebenfalls verjährt eingestuft. Aber auch aus neuerer Zeit, nämlich aus dem Jahr 2005, ist noch ein Missbrauchsfall bekannt.

Die Zahl der Opfer ist nicht ganz exakt festzustellen: 45 hatten sich gleich nach Bekanntwerden der Vorwürfe an die Diözesane Kommission gegen Missbrauch und Gewalt gewandt. 38 meldeten sich bei der Klasnic-Kommission, davon 29 wegen sexuellen Missbrauchs. Fünf weitere sollen bei der Staatsanwaltschaft aktenkundig sein, aber nicht bei den kirchlichen Stellen. Diskrepanzen in den Zahlen sind laut Stift vor allem mit Doppelnennungen, aber auch mit aus Datenschutzgründen teilweise nur spärlichen Angaben bei manchen Personen zu erklären. Bisher hat das Stift 700.000 Euro an Entschädigungen und für Therapien gezahlt.

(APA)

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