Das lange Warten auf den Augenarzt

Wie der Unmut der Oberösterreicher zu Konsequenzen bei der Krankenkasse führte.

Es kommt nicht alle Tage vor, dass vonseiten der Sozialversicherung Schwächen eingestanden werden. Andrea Wesenauer, Generaldirektorin der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, tut dies rückblickend, was den Ärger betroffener Bürger über allzu lange Wartezeiten bei unter Vertrag der Kasse stehenden Augenärzten betrifft. Diese Gruppe der Fachärzte sei der einzige Bereich, wo man sich Kritik habe gefallen lassen müssen.

Vor ein paar Monaten wurden daher die Augenärzte zu einem Workshop eingeladen, weil die Kasse vor allem Mängel in der Organisation als Grund für erboste Beschwerden von Patienten ausmachte. Als Mittel zur Besänftigung der Patienten wurde eine „bessere Organisation“ in den Praxen empfohlen. 55 Kassenstellen für Augenärzte sind für Oberösterreich vorgesehen. Die Gesamteinwohnerzahl lag im Land ob der Enns im Vorjahr bei rund 1,4 Millionen Menschen.

40 Augenärzte sind zu dem Workshop der Kasse schließlich gekommen. Weil gerade die Wartezeiten Anlass für schärfste Kritik sind, hat Oberösterreichs Gebietskrankenkasse im Gegensatz zur Sozialversicherung in anderen Bundesländern auch verpflichtende Mindestöffnungszeiten fixiert: Zumindest 20 Stunden müssen Praxen demnach offen halten.


Berechnungsmodell. Den Vorwurf, die Kasse halte aus Spargründen die Zahl der Praxen niedrig, weist Wesenauer nachdrücklich zurück: „Wir wollen eine flächendeckende gute Versorgung im ganzen Bundesland.“ Die Zahl der Kassenarztstellen werde daher nach dem sogenannten Hagenberger Modell mit bestimmten Kriterien wie der Einwohnerzahl und speziellen regionalen Herausforderungen errechnet. So wird etwa im Ballungsraum Linz die Zahl der Pendler berücksichtigt, die nach den Erfahrungen häufig im Zentralraum die Fachärzte aufsuchen. Umgekehrt wolle die Kasse jedoch auch eine „Überversorgung“ mit nicht ausgelasteten Ordinationen vermeiden.

Nach einer Aufstellung der Bundesärztekammer gibt es derzeit insgesamt rund 1560 Landärzte. Dazu zählen Allgemeinmediziner mit einem Kassenvertrag in Gemeinden mit maximal 3000 Einwohnern.

Gerade in Oberösterreich mit der Grenze zu Bayern wird beklagt, dass Junge nach absolviertem Medizinstudium gleich nach Deutschland gehen, weil ihnen dort der Turnus im Spital erspart bleibt. Für die Landespolitik war das ein Aspekt, mit dem sie die Forderung nach einer eigenen Medizinfakultät an der Linzer Universität unterfüttert hat. Derzeit absolvieren Oberösterreicher ihr Medizinstudium in einem anderen Bundesland wie Wien und kehren oft nie mehr in das in der Landeshymne besungene „Hoamatland“ zurück.


Neuregelung des Turnus.
Nicht nur Turnusärzte aus Oberösterreich haben freilich in der Vergangenheit beklagt, dass sie sich als billige Arbeitskräfte ausgebeutet fühlen. Eine tiefgreifende Neuregelung des Turnus wurde seit Langem angekündigt, die entsprechende Verordnung von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) ist aber nach wie vor ausständig. Ziel ist neben einer verkürzten Facharztausbildung vor allem eine Stärkung der Ausbildung zum Allgemeinmediziner. Das Konzept sieht eine neunmonatige Basisausbildung vor, bei der die 15 häufigsten Krankheiten einbezogen werden.

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) hat im Zuge der Diskussion um eine Medizinfakultät, für die erst vor Kurzem bei einem Treffen im Bundeskanzleramt grünes Licht gegeben wurde, noch Handlungsbedarf gesehen. Bei der Ausbildung und den Arbeitsbedingungen nach der Promotion seien noch weitere Arbeiten zu leisten: „Sonst rinnen die Ärzte weiter ins Ausland ab.“

Gesundheitsminister Stöger kennt als ehemaliger Obmann der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse und Mühlviertler die Gegebenheiten und Probleme bestens. In seinem Ressort wird versichert, die entsprechende Verordnung, die letztlich nicht gegen den Willen des Koalitionspartners ÖVP erstellt werde, solle „von uns so bald wie möglich“ erlassen werden.

Das wird von diversen Beteiligten – eine Kommission aus Ministerium, Ärztekammer, Sozialversicherung und Ländern hat ein Grundkonzept erarbeitet – allerdings seit Längerem versprochen. Noch immer sind aber Punkte zu besprechen, weniger mit dem Regierungspartner als mit der Ärztekammer. Von juristischen Fragen, die noch zu klären seien, ist inzwischen die Rede. Leicht möglich, dass sich also die Fertigstellung noch weiter verzögert. ett

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2013)

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