Gumball 3000: Roter Teppich statt grüner Streifen

(c) EPA (PAWEL SUPERNAK)
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In Wien lernen Autofahrer gerade (eher unwillig), dass sie ihren Platz mit Radfahrern teilen sollen. Just da zieht ein wildes PS- und Tempo-Spektakel in die Stadt.

Von Dietrich Mateschitz hat man einmal gehört, dass er seine vor Hitze noch knisternden Autos in die Garage schiebt, wenn andere Menschen gerade aufstehen. Mit anderen Worten: An Publikum hat der vermögende Flugzeug- und Autosammler bei seinen Ausfahrten kein Interesse. Über den Bestand seiner Garage wird daher nur gemutmaßt.

Exakt gegenteilig verhält es sich bei dieser Veranstaltung: Dem jährlich durch halb Europa tingelnden „Gumball 3000“, der auch in Wien wieder einen Zwischenstopp (konkret vor der Volksgarten-Disco am Ring) einlegt, sind Publikum und Publicity alles. Damit ist es als geheimes, illegales Wettrennen auf öffentlichen Straßen, als das die Ausfahrt gehandelt wird, ziemlich disqualifiziert. Als Gumball im Jahr 2005 Österreich und Wien erstmals heimsuchte, von Osten kommend, hatten sich an der Brünner Straße bereits Polizisten mit Radarpistole postiert – umringt von Schaulustigen aus der Nachbarschaft, die einen Blick auf die schillernden Gesetzlosen erhaschen wollten, als Draufgabe vielleicht eine entschlossene Amtshandlung unserer unerschrockenen Exekutive. Wer die Schlagzeilen von den „reichen Anarcho-Rasern“ las, wähnte sich in einer Westernstadt kurz vor High Noon.

Reichtum und Rechtsbruch

So schlimm war's dann nicht – und wird es auch diesmal nicht werden, auch wenn es, im Jahr 2007, einen Unfall mit Todesfolgen gab. In Ermangelung handfester Delikte wurden beim letzten Österreich-Abstecher von der Polizei vor allem Bordapotheken und Pannendreiecke kontrolliert. Das Einzige, was raste, war schließlich die Menge auf dem Heldenplatz.

Der Ruch von Speed, Reichtum und Rechtsbruch ist vor allem eine Show, von den Initiatoren sorgfältig aufbereitet, seit dem ersten Durchgang 1999. Inhaber der Gumball-Lizenz ist eine Londoner PR-Agentur. Man verdient an den Teilnahmegebühren – von rund 50.000 Euro pro Teilnehmer ist die Rede – und den Beiträgen der Sponsoren, ein Energydrink ist ebenso darunter wie ein Schweizer Hersteller teurer Uhren. Der Mythos illegaler Langstreckenrennnen stammt ursprünglich von den Cannonball-Rennen in den USA (als Klamauk verfilmt: „Am Highway ist die Hölle los“). Eine Auflehnung gegen neuartige Tempolimits, ging es in den frühen 1970ern von der Ost- an die Westküste, von New York nach L.A. Die Regeln? Gewonnen hatte, wer als Erster ankam. Den zahlenden Teilnehmern geht es aber weniger um den Thrill des überhöhten Tempos, den man anderweitig diskreter ausleben kann. Man stelle sich eher Menschen vor, die es fad finden, ein tolles Auto zu besitzen, wenn es keiner sieht.

Smartphone-Winken für Ferrari

Die Stadt Wien trifft der Besuch der bunten, lauten Boliden, die alle Startnummern tragen wie Rennwagen, auf dem falschen Fuß. Die grüne Hälfte der Stadtregierung müht sich nämlich gerade nach Kräften, Fahrradkultur zwischen Ring- und Höhenstraße zu etablieren. Mit ideologischem Aufgebot – und gegen oft erbitterten ideologischen Widerstand. Wie schrieb Michael Frank, langjähriger Wien-Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“: „Radler sind die nichtswürdigsten Kreaturen, die sich ein österreichischer Kraftfahrer denken kann.“ Der Anteil des Radverkehrs in der Bundeshauptstadt dümpelt derzeit bei sieben Prozent, mager gegen Städte wie München (mehr als das Doppelte), erst recht im Vergleich mit Bike-Mekkas wie Kopenhagen oder Amsterdam.

Insofern ist die Aufregung über ein Rennen wie Gumball hier mäßig. Mehr Ärger als röhrende Ferraris und Lamborghinis (die naturgemäß selten einen Stau bilden) entfachen bei vielen immer noch „Anarcho-Radler“. Und auch wenn bereits der Niedergang des Automobils ausgerufen wurde – zuletzt in dieser Zeitung –, zückt die Jugend, die sich angeblich nur noch für Smartphones interessiert, ebendiese, um im Gumball-Getümmel die rollenden Objekte der Begehrlichkeit festzuhalten. Die Fahrradwege sollen grüne Streifen bekommen, doch rote Teppiche wurden an diesem Abend den schnellen Autos ausgebreitet.

Auf einen Blick

Gumball 3000 ist eine 3000 Meilen lange Tour durch Europa, an der seit 1999 jährlich im Mai Besitzer hochkarätiger Autos und Supercars teilnehmen.

Donnerstagabend
machte das Auto- und Promi-Spektakel, das in Warschau startete, wieder in Wien Halt. Wieder dabei: Sänger David Hasselhoff.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2013)

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