Skylink: Der Flughafen, den wir persönlich nehmen

Skylink Flughafen
Skylink Flughafen (c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Ein Jahr nach der Eröffnung zeigt sich der Neubau Check-in 3 auf dem Wiener Flughafen mit Mängeln und Makeln. Nicht alle werden sich aus der Welt schaffen lassen. Den neuen Chefs bleibt nur der Blick nach vorn.

Eine Blackbox ist ein solider Schrank in Minibargröße, den man in der Luftfahrt immer dann sucht, wenn etwas passiert ist und man wissen möchte, wie es dazu gekommen ist. Eine Blackbox, in Flugzeugen tatsächlich nicht schwarz, sondern signalfarben lackiert, kann aber auch ein Bauwerk sein, in dem die Spuren zu einem Absturz festgehalten und aufgezeichnet sind – gesichert und geschützt, vielleicht nicht für die Ewigkeit, aber zuweilen länger, als allen recht und lieb ist.

Auf dem Wiener Flughafen gibt es ein solches Bauwerk. Projektname: Skylink. Inbetriebnahme: 5. Juni 2012. Es besteht aus einem 450 Meter langen Pier, schwarz glänzend, einem gestürzten Monolithen gleich, an den beidseitig Flugzeuge andocken, einem großen Check-in-Bereich mit Abfertigung und Sicherheitskontrolle und einer Ankunftshalle, wohl dem Herzstück eines Flughafens. Wer in diesem Gebäudekomplex wandelt, und das tun viele tausende Reisende jeden Tag, hat sich in eine Blackbox begeben, in der die Geschichte eines Trudelns und schließlich einer Bruchlandung erzählt wird.

An manchen Stellen flüsternd, beiläufig, an anderen eindringlicher, wenn man sich etwa zum zweiten Mal verlaufen hat, obwohl man sich die größte Mühe gegeben hat, es eilt ja, und der Zorn, der gerade noch harmloser Grant war, langsam hochsteigt, man zu fluchen beginnt, zuerst innerlich, dann für Umstehende hörbar: Scheißflughafen.
Dabei hätte es ein einziges großes Fest werden sollen. Für den Standort Wien-Ostregion, für den Flughafen, für die Landesfürsten, die ihn politisch kontrollieren, für 22 Millionen Passagiere im Jahr. Skylink, die Anbindung an den Himmel: eine entschlossen dimensionierte Kapazitätserweiterung als Missing Link zum boomenden Flugfahrtssektor der späten 1990er-Jahre.

Herausgekommen ist: Skylink, der Skandal. Bauzeitüberschreitung, Kostenexplosion aufs Doppelte, Malversationen, unfähige Politbonzen, die nach Kräften mitmischen. Das Unwetter, das um das Jahr 2008 über den Flughafen hereingebrochen ist, war vom Tower aus nicht zu sehen: ein medialer Shitstorm, wie man sagt, der bekanntlich Hausdächer unversehrt lässt, aber die Kraft hatte, die Reputation einer einst ehrwürdigen Institution über Nacht hinwegzufegen.


Viel mehr als ein Gebäude. Denn der Flughafen, das war immer mehr als ein Gebäude, bei dem Flieger starten und landen, Menschen aus- und einsteigen. Bei der Hypo mag es um ganz andere Summen gehen, da kommt vielleicht noch die ganze Republik ins Schwitzen, aber was ist der Volksseele schon eine Bank? Eine Summe von Kontobewegungen, jedenfalls kein Ort, und schon gar keiner, an den man sein Herz hängt. Den Flughafen hingegen nimmt man persönlich.

Vielleicht zu persönlich? Wer so mit Vorwürfen ein- und zugedeckt wurde wie der Flughafen am Siedepunkt der Skylink-Aufregung, die ja mitnichten ausgekühlt ist, dem muss man glauben, dass er auch ein paar Querschläger abbekommen hat, die ihm nicht gehören. Können wir den Flughafen nach einem Jahr des Betriebs, quasi 100 Tage im Amt, mit anderen Augen begehen? Uns versöhnen mit der schwarzen Kiste da draußen?


Demut statt Party.
Auf ein Fest zur Eröffnung hatte man im Juni 2012 wohlweislich verzichtet. Die AUA ließ in Eigenregie Trachtenpärchen tanzen, sonst lag Demut in der Luft. Low key, würde der PR-Berater sagen. Fatalerweise legte die Psychologie den ersten Fluggästen nahe, nun entschädigt zu werden für die Zumutungen des debakulösen Anlaufs: mit dem zweifellos brillantesten Terminal der westlichen Hemisphäre. Es hat viel gekostet, lange gedauert. Nun würde es endlich gut.

Jeder Mensch ist hoch qualifizierter Architekturkritiker, wenn es um öffentliche Gebäude geht, die nicht spätestens aus der Gründerzeit stammen. Und was man sah, gefiel den wenigsten. Der verstellte, fast versteckte Eingang von der Straße her. Der Gang über die Brücke wie über einen Wassergraben, unten: der Ankunftsbereich. Wer von dort übrigens den Zugang zum Check-in sucht, von dem Parkhaus oder den Zügen kommend, findet ihn in etwas, was wie ein Nebeneingang dimensioniert ist. Auf der schmalen Rolltreppe hinauf fragen sich noch viele, ob sie denn richtig sind.

So laviert man sich in ein Gebäude, mit angestrengtem Blick, um nichts zu übersehen, weil die Übersichtlichkeit fehlt, doch ohne freie Blickachsen, die einem den Raum aufsperrten, willkommen hießen in der erhebenden Luftigkeit der Fliegerei, man denke nur an Barcelona. Und so türmt sich der Verdruss. In loser Reihenfolge: die Toiletten am Pier, die nur über schmale, steile Treppen zu erreichen sind. Herausragende Kanten von Gebäudeteilen, die improvisiert mit grellem Klebeband markiert sind, damit sich keiner den Schädel anhaut, weil das offenbar schon einige getan haben. Das freudlose Flair des vielen Schwarzraums.


Wischer, Fettflecken und Blasen. Die schon nach wenigen Wochen mitgenommenen weißen Wände in matter Dispersion, die neben Schlieren und Wischern auch die dunklen Kopfabdrücke von auf Sitzreihen Wartenden aufnimmt und behält. Bodenbeläge, die Blasen werfen. Engstellen alle halblang. Und immer wieder: eine Wegeführung, die einen direkt in den Glauben leitet, doch wieder die falsche Abzweigung genommen zu haben. Am Ausgangstor zum Ankunftsbereich hing die längste Zeit ein A4-Zettel, auf dem stand: Exit. Eine patente Geste als letztes Symbol einer Hilflosigkeit, in der Betreiber wie Benutzer gleichermaßen zu waten scheinen.

„Die meiste Kritik kenn ich schon“, sagt Julian Jäger, einer der beiden Vorstände, die im September 2011 angetreten sind und Skylink geerbt haben. Große Chancen, an Form und Inhalt des Pakets viel zu ändern, hatte das Duo wohl nicht. Ein Manager schaut auch nach vorn, dorthin, wo die Zukunft ist. Dafür wird er bezahlt, anders als Staatsanwälte, Kripobeamte und Journalisten, die vom Geschehenen leben, davon, was andere verbrochen haben. Blasen werfende Bodenbeläge sind nicht Jägers Lieblingsthema. Auch wenn er die Kritik für berechtigt hält: „Wenn wir es neu planen könnten, würden wir manches anders machen.“

Skylink Flughafen
Skylink Flughafen (c) DiePresse

Lessons learned? Was ihn umtreibt: wie es weitergeht. Der alte Terminal 1 wurde inzwischen saniert und vor wenigen Monaten eröffnet. Ende des Jahres werde man dem Aufsichtsrat vorlegen, was mit Terminal 2 geschehen soll: Neubau oder Sanierung. „Wir nehmen uns ein halbes Jahr länger Zeit für die Planung“, sagt Jäger: „Lessons learned.“

Inzwischen besuchen wir einen neuen Schalter auf Check-in 3, „erst diese Woche eröffnet“, eine Anlaufstelle für Familien und Menschen mit Behinderung. Ohne große Umstände bekommt man dort einen Kinderwagen ausgehändigt, den man dann am Gate stehen lassen kann, oder einen Rollstuhl mit Assistenz. Das habe man mit den Behindertenverbänden erarbeitet, die nach der Skylink-Eröffnung Sturm gelaufen waren, ebenso wie neue Monitore, die in Augenhöhe montiert sind und sich auch von Sehbehinderten entziffern lassen. „Es ist nicht alles gesetzlich geregelt“, sagt Jäger, „und nicht alles, was geregelt ist, ist auch gut.“ Weiter geht es zum Security-Check, dessen Wartezeiten anerkanntermaßen nie zu den Kritikpunkten des Neubaus gehörten. Man habe nun zusätzlich ein System entwickelt, mit dem man auf Probleme direkt reagieren könne, ohne Anstehende aufzuhalten, „einzigartig in Europa“, schwärmt Jäger. Er spricht auch davon, dass der Bau von auswärtigen Passagieren, die seine Vorgeschichte nicht kennen, wesentlich besser beurteilt werde. „Von den operativen Kennzahlen sind wir sehr, sehr gut.“


Keine herrenlosen Koffer.
Betriebsleiter Spitzer will gesagt haben, dass „betrieblich vom ersten Tag an alles funktioniert hat, Gepäck, Wartezeiten, keine Pannen, keine Ausfälle“, anders als London, wo Koffer tagelang unauffindbar waren, oder Charles de Gaulles, wo am Tag nach der Eröffnung ein Gebäudeteil einstürzte. „Es gibt keine komplexeren, komplizierteren Gebäude als Krankenhäuser und Flughäfen.“

Nicht weniger als 32 verschiedene Arten von Passagieren habe er sich einmal ausgerechnet, so Spitzer, die jeweils spezifisch durch Gates, Checks und Schleusen zu manövrieren sind, eilige Vielflieger neben bummelnden Pauschalurlaubern.


Skandal statt Stolz. Für die Mitarbeiter sei es eine harte Zeit gewesen: „Die waren immer stolz auf ihren Airport“, der plötzlich ein „Skandalflughafen“ war. „Wir haben ja alle das Luftfahrtvirus.“ Man müsse es einmal schlucken, wenn man in der Familie, unter Freunden, am Stammtisch für die Fehler anderer herhalten soll: „Als einfacher Mitarbeiter fühlt man sich völlig hilflos.“

Nun sei das Management zur Hälfte ausgetauscht, die neuen Vorstände haben Fünfjahresverträge, und im Aufsichtsrat werde nicht mehr politisiert. Was zu dem Mann führt, bei dem die Zahlen zusammenlaufen: Auch Vorstand Günther Ofner blickt in die Zukunft, „da müssen wir auch hinschauen“. Er sieht regelrechte „Airport-Citys“ im Entstehen und für den Wiener Flughafen eine Dynamik für die nächsten 30 Jahre. Für das Ziel von 30 Mio. Passagieren in zehn Jahren werde auch eine dritte Start- und Landebahn Thema sein. Skylink, eine verblassende Episode? Die Kripo ermittle seit drei Jahren, „wir würgen die Falotten“ (siehe auch Beitrag unten, Anm.).

Was den Bau selbst angeht, den planerischen Murks: „Dass die Klos nicht auf Ebene der Menschen sind, ist schwer zu verdauen, aber nicht aus der Welt zu schaffen.“ In den Turbulenzen nach 9/11 sei der Bau in der Planung „geschrumpft“ worden, so sei der Pier zu schmal ausgefallen. Ofner spricht vom Kardinalfehler „des schwachen Bauherrn“, der der Flughafen gewesen sei, von Baufirmen, die wie Geier darauf warteten, dass ein solcher ins Stolpern gerät, um ihn auszuweiden mit gierigen Schnäbeln. Man habe die Lektionen gelernt: „Der Freibiss ist konsumiert.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2013)

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