Messerattacke auf Adoptivvater: Zwei Jahre teilbedingte Haft

Im Straflandesgericht Wien wurde die 33-jährige Wienerin zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt.
Im Straflandesgericht Wien wurde die 33-jährige Wienerin zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Der 69-Jährige überlebte den Stich in Brust mit viel Glück. Für die Geschworenen war es kein Mordversuch. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Eine 33-jährige Wienerin, die am 26. April 2012 in Wien-Liesing ihrem Adoptivvater mit einem Obstmesser in die Brust gestochen und diesen lebensgefährlich verletzt hatte, ist am Dienstagabend im Straflandesgericht in Wien zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt worden. Acht Monate wurden unbedingt ausgesprochen, den Rest sah das Schwurgericht (Vorsitz: Susanne Lehr) der beinamputierten Frau unter Setzung einer dreijährigen Probezeit auf Bewährung nach.

Zudem wurde Bewährungshilfe angeordnet und der Frau die Weisung erteilt, sich einer Psychotherapie zu unterziehen. Der Schuldspruch wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung ist nicht rechtskräftig. Ursprünglich lautete die Anklage auf versuchten Mord, was die Geschworenen allerdings einstimmig verwarfen. Während Verteidiger Nikolaus Rast auf Rechtsmittel verzichtete, gab Staatsanwalt Stephan Wehrberger vorerst keine Erklärung ab.

Entlassung nach 13 Monaten U-Haft

Dessen ungeachtet wurde die 33-Jährige unmittelbar nach der Urteilsverkündung enthaftet. Sie war seit mehr als 13 Monaten in U-Haft gesessen und hat damit weit mehr als den unbedingten Strafteil bereits verbüßt.

Der Staatsanwalt hatte der Frau zugestanden, sich "grundsätzlich in einer schwierigen Situation" befunden zu haben. Sie habe "alles andere als eine gute Kindheit gehabt", negative Gefühle gegen ihren Adoptivvater "liegen auf der Hand", meinte der Ankläger.

Die Frau war bei Adoptiveltern aufgewachsen, weil ihre Mutter nach Ansicht des Jugendamts als Prostituierte und Alkoholikerin der Kindererziehung nicht gewachsen gewesen wäre. Die "Ersatzmutter" soll das Mädchen aber regelmäßig verprügelt und misshandelt haben. "Ich hab' die ersten elf Jahre meines Lebens in Angst vor ihr verbracht", schilderte die Angeklagte. Der Adoptivvater - ein Polizist - habe untätig zugeschaut. Zudem soll der Mann das Mädchen missbraucht haben, wozu die 33-Jährige aber dem Gericht nichts Näheres erzählen wollte.

Psychische Probleme

Nach dem erfolgreichen Abschluss eines Hochschulstudiums in London und der Rückkehr nach Wien hatten sich bei der Frau psychische Probleme eingestellt. Angeblich soll sie an einem Borderline-Syndrom leiden. Es kam zu mehreren Selbstmordversuchen und damit verbundenen stationären Aufenthalten im Otto-Wagner-Spital (OWS). Beim Versuch, auf einen fahrenden Güterzug aufzuspringen - für die Angeklagte "ein Unfall", für die behandelnden Ärzte ein weiterer Suizidversuch -, geriet sie unter die Garnitur. Ihr wurden Anfang März 2012 beide Beine in Kniehöhe abgetrennt.

Als sie einige Wochen später zu einem Kontrolltermin vom OWS in ein anderes Spital gebracht wurde, wo sie Prothesen erhalten sollte, kehrte die 33-Jährige nicht ins OWS zurück. Sie suchte stattdessen am folgenden Tag ihren Adoptivvater auf, nachdem sie die Nacht mit ihrem Freund und einer alten Schulfreundin verbracht hatte. Wie die Angeklagte nun dem Gericht erklärte, habe sie erhofft, eine Weile bei dem 69-Jährigen leben zu können: "Er war immer meine Bezugsperson. Er war immer der, der da war."

Sie habe mittelfristig eine Wohnung für sich finden wollen: "Ich hatte das Gefühl, ich kann es vielleicht doch schaffen und ein eigenes Lebens führen ohne Füße. Es war so eine Aufbruchstimmung."

Doch ihr Adoptivvater sei auf ihre Vorstellungen nicht eingegangen, habe ständig mit der Polizei, die die vom OWS als abgängig gemeldete Patientin bereits suchte, und der Rettung telefoniert und sie zu überzeugen versucht, in die Psychiatrie zurückzukehren wäre die einzige vernünftige Lösung. Da habe sie mit dem Rollstuhl ein Obstmesser aus der Küche geholt und zugestochen, "weil ich mir gedacht habe, er kann dann nicht weitertelefonieren".

"Wollte, dass er aufhört, mich auszulierfern."

Sie habe die Situation nicht mehr ausgehalten: "Ich wollte, dass er aufhört mich auszuliefern." Sie sei "nur mehr verzweifelt gewesen", schilderte die 33-Jährige, die während ihrer Einvernahme eine Schaukelpferd-Miniatur aus Holz umklammerte.

Ein Stich traf den 69-Jährigen in die Brust und eröffnete den Herzbeutel. Ein zweiter ging in die linke Achselfalte. Sie habe "nur in den Oberarm stechen wollen", beteuerte die Angeklagte. Sie habe "nicht einmal Blut gesehen". Der Adoptivvater sei vielmehr "aufgestanden und durch die Wohnung gegangen und hat sich auf die Terrasse gesetzt".

Der pensionierte Polizist, der nur dank einer raschen Notoperation überlebte, entschlug sich im Zeugenstand der Aussage. Dem Vernehmen nach soll er der Tochter die Attacke verziehen haben.

(APA)

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