K(r)ampf der Tierschützer

TIERSCHUeTZER-PROZESS IN WIENER NEUSTADT
TIERSCHUeTZER-PROZESS IN WIENER NEUSTADTAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Der "Mafiaprozess" gegen Tierschützer gilt als Justizblamage, ja sogar schon als ein Stück Zeitgeschichte. Doch die Sache ist nicht abgehakt. Eine Analyse.

"Der Prozess ist die Strafe", hieß es, als 13 Tierschützer 14 Monate hindurch immer und immer wieder von Wien, in einem Fall sogar von Tirol, in das Landesgericht Wiener Neustadt (Niederösterreich) fahren mussten, wo sie sich etwa wegen Protestkundgebungen gegen den Pelzhandel als Mitglieder einer kriminellen Organisation (§278a Strafgesetzbuch, StGB) zu verantworten hatten. Das (schon 2006 begonnene!) Verfahren war enorm aufwendig, enorm teuer, löste eine Debatte über die Rechte von NGOs aus, setzte den Gesetzgeber unter Druck, den „Mafia-Paragrafen“ zu ändern (was bis heute nicht geschehen ist) – und endete im Mai 2011 mit 13 glatten Freisprüchen. Doch nun ist wieder alles anders.

Bei fünf der 13 Freigesprochenen fand der zuständige Drei-Richter-Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Wien, jener Senat (Vorsitz: Ingrid Jelinek), der als der strengste des Hauses gilt, „ein Haar in der Suppe“, wie es einer der Verteidiger, der Wiener Anwalt Phillip Bischof, ausdrückt. Fünf Tierschützer werden also erneut nach Wiener Neustadt fahren müssen.

Allerdings nicht mehr pauschal eingestuft als Mitglieder einer kriminellen Organisation, sondern wegen einzelner Straftaten: Nötigung, Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und – Tierquälerei. Einer der Angeklagten soll durch die Freilassung von Schweinen, deren Haltebedingungen als fragwürdig galten, Revierkämpfe unter den kurze Zeit frei laufenden Tieren ausgelöst haben. Dabei sollen einige Schweine Verletzungen davongetragen haben. Schon in der ersten Prozessrunde sahen Beobachter diesen Vorwurf als Kuriosum.

Der ursprünglich tätigen Richterin Sonja Arleth, die nicht bei allen Prozesskiebitzen den Eindruck souveräner Gelassenheit hinterlassen haben dürfte, wird auf nicht weniger als 101 Seiten (das OLG-Urteil liegt der „Presse“ vor) nachgesagt, ihre Begründung der Freisprüche sei mangelhaft ausgefallen. Arleth ist einige Monate nach Prozessende vom Personalsenat zur reinen Haft- und Rechtsschutzrichterin erklärt worden. Sie leitete damit keine Verhandlungen mehr. Die SPÖ ortete damals angesichts der Freisprüche (nach denen es anfangs überhaupt nicht ausgesehen hatte) „eine Strafversetzung für unbequeme Geister“. Im Gericht wollte man dazu nichts sagen.

Zurück zur jüngsten Entwicklung: Hervorzuheben ist zunächst, dass jene acht Freisprüche, die sich auf den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Mafia-Organisation bezogen, vom Staatsanwalt (nach Rückkoppelung mit dem Justizministerium) gar nicht erst bekämpft wurden. Sie sind daher rechtskräftig. Man wollte augenscheinlich den viel zitierten „Mafia-Paragrafen“ nicht neuerlich gerichtsöffentlich abhandeln.

Apropos: Auf eine Reform dieser Gesetzesstelle, die eigentlich der Bekämpfung von Drogenschmugglern oder Menschenhändlern dient, wartet man immer noch. Zu unbestimmt liest sich etwa jene Passage im §278 StGB („Kriminelle Vereinigung“), auf die der §278a StGB („Kriminelle Organisation“) abstellt, in der es heißt: „Als Mitglied beteiligt sich an einer kriminellen Vereinigung, wer im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung eine strafbare Handlung begeht oder sich an ihren Aktivitäten durch die Bereitstellung von Informationen oder Vermögenswerten oder auf andere Weise in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert.“

„Auf andere Weise“ also. Hier kann, salopp ausgedrückt, von einem findigen Staatsanwalt sehr, sehr viel hineingepackt werden.

Ruf nach neuem Gesetz. Staatsrechtler Bernd-Christian Funk spricht sich daher dafür aus, diese Passage zu streichen. Die Definition der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sei „zu breit gestreut“. Gerade dieses bedrohliche „auf andere Weise“ sei stets „wie ein Gespenst“ im Tierschützerprozess aufgetaucht.

In der nun bevorstehenden Neuauflage der Verhandlung spielt all dies aber (siehe oben) keine Rolle mehr. Und doch geht es um Grundsätzliches. Etwa um die Frage, inwieweit das Ankündigen legaler Demonstrationen als Nötigung gesehen werden kann. Was schreibt dazu das OLG? Vorab sei erwähnt: Die Vorsitzende des OLG-Senats hat seinerzeit auch über die U-Haft für die Tierschützer entschieden; dass sie nun auch über die Berufung des Staatsanwaltes urteilte, ist rechtlich gedeckt, OLG-Sprecher Reinhard Hinger sieht darin auch keine schiefe Optik. Also, was sagt das OLG? In dem Entscheid (er ist kompliziert abgefasst, 20-zeilige Sätze sind keine Seltenheit) heißt es: „Die Ankündigung von legalen Permanentdemonstrationen (etwa gegen die Firma Kleider Bauer, Anm.) in einer Art und Weise, die geeignet ist, einem Unternehmen nicht unwesentliche Umsatzeinbußen zu bescheren, ist daher als Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, somit als gefährliche Drohung (...) zu qualifizieren und stellt daher ein geeignetes Nötigungsmittel (...) dar.“

Vorrecht der freien Meinung. Damit ist eine neue Diskussion eröffnet: jene um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Diese wird vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im demokratischen Sinne weit ausgelegt: Selbst Äußerungen von Ideen, die den Staat beleidigen, seien durch die Meinungsäußerungsfreiheit geschützt. Darauf macht auch Verteidiger Bischof aufmerksam. Und er fragt rhetorisch: „Wenn man schon die Ankündigung einer legalen Demo als Nötigung sieht, was passiert dann, wenn man tatsächlich demonstriert? Gibt es dann fünf Jahre schweren Kerker bei Wasser und Brot?“

Wann der neue Tierschützerprozess startet, steht noch nicht fest.

ZWEITE RUNDE

13 Tierschützer, nach Diktion der Ermittler „militante Tierschutz-Aktivisten“, allen voran der Chef des Vereins gegen Tierfabriken, Martin Balluch, wurden im Mai 2011 nach einem monströsen Strafverfahren glatt freigesprochen.

In fünf Fällen ordnete nun ein Senat des Wiener Oberlandesgerichts eine Neuauflage an (Balluch ist nicht betroffen). Um den „Mafia-Paragrafen“ wird es nicht mehr gehen, aber eine Debatte über Grundrechte – Beispiel: Versammlungsfreiheit – ist programmiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2013)

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