Securitys statt Polizei: Die Privatisierung der Sicherheit

Privatisierung Sicherheit
Privatisierung Sicherheit(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

Die Zahl der Gemeinden, die private Firmen dafür bezahlen, nachts auf ihren Straßen zu patrouillieren, steigt. Häufigster Grund ist, dass sie sich (vergeblich) mehr Polizei wünschen.

Wien. „Die Polizei konnte unserer Bevölkerung nicht mehr das Gefühl von Sicherheit vermitteln.“ Es ist das wohl schlimmste mögliche Zeugnis, das man einer Exekutive aussprechen kann, was ein Sprecher der Stadt Wiener Neustadt gegenüber der „Presse“ formuliert.

4000 Unterschriften habe Bürgermeister Bernhard Müller (SPÖ) einst dem Innenministerium mit der Forderung nach mehr Polizisten übergeben – ohne Erfolg. Es war keine Schwerstkriminalität, um die es ging, aber Vandalenakte und Raufereien in der Innenstadt machten der 41.000-Einwohner-Gemeinde schwer zu schaffen. 2009 entschloss sich der Gemeinderat daher, einen privaten Sicherheitsdienst zu engagieren.

Jeden Freitag, Samstag und Vorfeiertag ziehen Angestellte des Sicherheitsunternehmens Fass SEC seither in Fantasieuniformen ihre Runden durch Wiener Neustadt – unbewaffnet, aber mit wachsamen Augen. Tritt ein Konflikt auf, etwa unter betrunkenen Jugendlichen, mischen sie sich ein, versuchen zu vermitteln. Eskaliert die Situation, können die Wachleute aber ihrerseits nur die Polizei rufen – Sonderrechte gegenüber der Exekutive haben private Wachleute nicht.

Eine verpflichtende Ausbildung muss nur der Chef eines Security-Unternehmens mitbringen, die Wachleute nicht. Insofern sind die Fass-Wachleute in Wiener Neustadt mit einem dreitägigen Kurs vergleichsweise gut vorbereitet. Ihre Ordnungsdienste lässt sich die Gemeinde jährlich 75.000 Euro kosten – und zeigt sich zufrieden: Gerade hat sie den Vertrag mit Fass wieder bis 2014 verlängert.

Dass Gemeinden, die sich von der Polizei nicht ausreichend bewacht fühlen, private Sicherheitsfirmen engagieren, komme immer häufiger vor, sagt Harald Fass, Eigentümer des Sicherheitsunternehmens, das unter anderem in Wiener Neustadt patrouilliert.

Boom der Sicherheitsbranche

Während es hier um Vandalismus geht, ist es in vielen Gemeinden die Angst vor Einbrüchen, die der Sicherheitsbranche zu einem Boom verholfen hat. So haben zahlreiche Gemeinden – wie viele es genau sind, wird nirgends erfasst – im Burgenland und Niederösterreich nach dem Ende des Grenzassistenzeinsatzes begonnen, auf private Dienste zurückzugreifen.

Zum Beispiel in Gänserndorf, wo ein Wachmann fünf Stunden pro Nacht in einem groß mit „Zivilstreife“ gekennzeichneten Auto durch die Straßen kurvt. „Man weiß ja, dass der Bezirk Gänserndorf mit Polizisten unterbesetzt ist“, sagt Bürgermeister Kurt Burghardt (SPÖ). Er führe das auf den Sparzwang zurück, der dort herrscht.

Einen konkreten Anlassfall für die private Streife habe es nicht gegeben, erklärt Burghardt: „Es geht um die präventive Wirkung und um das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.“ Wie er argumentieren viele Bürgermeister aus der Grenzregion, die bereits private Sicherheitsdienste engagieren, mit ihnen verhandeln oder private Bürgerpatrouillen organisieren.

Anlass für solche Maßnahmen gebe es nur bedingt, sagt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums: Gerade die Zahl der Einbrüche in der Ostregion sei langfristig – trotz eines geringen Anstiegs im Vorjahr – rückläufig. Aber: Sicherheit sei auch eine „Kommunikationsleistung“, sagt Grundböck. „Wir müssen auch für die Bürger da sein.“

Das sei in den vergangenen Jahren zu wenig der Fall gewesen, weswegen viele Gemeinden auf Sicherheitsdienste ausweichen würden, um Sicherheit zu vermitteln. Künftig will das Ministerium wieder daran arbeiten, die Polizei stärker bei der Bevölkerung präsent zu machen – etwa mit der Einsetzung von „Gemeindepolizisten“ und „Sicherheitsstammtischen“.

Private Sicherheitsfirmen erleben derzeit einen Boom, nicht zuletzt durch Aufträge von Gemeinden, die sich durch die Polizei nicht ausreichend bewacht fühlen. Eine verpflichtende Ausbildung für ihre Mitarbeiter gibt es nicht.

TV-Tipp zum Thema:„Am Schauplatz“ vom 4.7., abrufbar in der ORF-TV-Thek.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Psychologie ist Polizeiarbeit

Käufliches Sicherheitsgefühl?

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.