Gusenbauer als Spion? Vor Aus für Ermittlungen

Alfred Gusenbauer
Alfred GusenbauerMichaela Bruckberger
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Kasachstan-Affäre. Hat der ehemalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer den kasachischen Geheimdienst gefüttert? Korruptionsermittler bezweifeln das.

[WIEN] „Ausschlaggebend dafür, dass ich mich in einem direkten Schreiben an Sie wende, ist mein Bestreben, den illegalen und kriminellen Aktivitäten des kasachischen Geheimdienstes KNB entgegenzuwirken." Mit diesen Worten beginnt ein am 3. Oktober 2012 verfasstes Schreiben des kasachischen Geschäftsmannes Lev N., welches dem damaligen österreichischen Botschafter in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate), Julius Lauritsch, zuging. In dem Brief wird ein ungeheuerlicher Vorwurf erhoben: Der frühere SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer soll das kasachische Regime mit „geheimen Dokumenten" versorgt haben. Die „Presse"-Recherchen lieferten dafür aber keinerlei Beweise.

Die Spezialisten des österreichischen Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, kurz BAK, konnten - nach Durchsicht eines von Lev. N. übermittelten 165 Seiten starken Konvoluts - „kein strafbares Verhalten [...] ableiten". Doch der Reihe nach: Der an einen Agententhriller erinnernde Fall hängt mit der Affäre um den früheren Botschafter Kasachstans in Österreich, Rachat Alijew, nun Rachat Shoraz, zusammen. Alijew ist jener frühere Diplomat, hinter dem Kasachstans Langzeitpräsident Nursultan Nasarbajew her ist. 2009 hat Alijew - er war mit einer Tochter von Nasarbajew verheiratet - auf Anraten des Innenministeriums Österreich verlassen. Er hält sich seither in Malta auf. Wo er sich, laut dem eingangs erwähnten Schreiben (und auch seiner eigenen Einschätzung zufolge) aber in Lebensgefahr befindet.

„Deckmantel diplomatischer Beziehungen"

Alijews Landsmann Lev N. teilte Botschafter Lauritsch mit: „Von meinen Quellen erhielt ich die Information, dass ein Netzwerk von kasachischen Agenten seit April 2012 in verschiedenen europäischen Ländern, einschließlich Österreich, unter dem Deckmantel diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen mit dem Ziel tätig ist, Herrn Rachat Alijew [...] zu liquidieren."

Österreich verweigerte zuletzt Alijews Auslieferung an Kasachstan. Ebendort mangle es an Rechtsschutz-Standards, hieß es. Dafür muss Wien diverse Vorwürfe gegen Alijew selber prüfen. So läuft hier gegen den Ex-Diplomaten ein - nur schleppend vorangehendes - Strafverfahren wegen Mordes. Alijew wird verdächtigt, an der Entführung und Ermordung zweier kasachischer Banker beteiligt gewesen zu sein. Er bestreitet dies.

Wie kommt man nun auf Gusenbauer? Der Ex-Kanzler gehört einer Gruppe an, die aus prominenten Ex-Politikern (darunter etwa Großbritanniens Ex-Premier Tony Blair) besteht und den kasachischen Präsidenten berät. Hat Gusenbauer auch den Geheimdienst KNB gefüttert? Das BAK hat dafür bisher keine Anhaltspunkte gefunden. Und dies auch der Zentralen Korruptionsstaatsanwaltschaft mitgeteilt. Diese trat die brisante Sache an die Staatsanwaltschaft (StA) Wien ab, wo derzeit ein routinierter Ankläger die Ermittlungen leitet.
Zum Stand der Dinge gefragt bleibt StA-Sprecherin Nina Bussek einsilbig: „Das Verfahren wurde an uns abgetreten. Mehr darf ich dazu nicht sagen." Es handelt sich um eine Verschlusssache. Die Ermittlungen sollen nun (nicht einmal das wird offiziell bestätigt) vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) geführt werden.

Gusenbauer wurde nicht einvernommen

Gusenbauer - er führt übrigens eine Projektentwicklungsgesellschaft - wurde noch nicht einvernommen. „Ich bin von der Staatsanwaltschaft noch nicht einmal kontaktiert worden", sagt er der „Presse". An den Vorwürfen sei überhaupt nichts dran: „Ich habe gar nichts weitergegeben."

In einer Eingabe von Lev N. (der Versuch Österreichs, N. in Abu Dhabi „zu überprüfen bzw. abzuklären" verlief im Sande) an das BAK heißt es, Gusenbauer und auch der Wiener Anwalt Gabriel Lansky (die beiden sind befreundet, Lansky vertritt die Witwen der mutmaßlichen Alijew-Opfer) hätten für Spitzeldienste „zwei Millionen Euro" vom kasachischen Auslandsgeheimdienst bekommen. Agenten dieses Dienstes würden in Wien „unter diplomatischer Deckung" arbeiten. Gusenbauer: „Ich konnte gar kein Geld nehmen, da mir nie etwas angeboten wurde." Lansky: „Das sind völlig substanzlose Anschüttungen."

Nur öffentliche Protokolle weitergegeben?

Wie nun das BVT mit der Sache umgeht, wird spannend. Laut Schreiben von Lev N., der sich selber politischer Verfolgung durch Kasachstan ausgesetzt sieht, sollen „Personen aus den Reihen des BVT" von kasachischen Geheimdiensten als „besonders wertvolle Quelle betrachtet werden".

So sehr das alles nach James Bond klingt: Fakt ist, dass Wien ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts „Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs" gegen Gusenbauer führt. Strafdrohung: bis zu drei Jahre Haft. Eine Einstellung dieses Verfahrens sollte aber nicht überraschen. Denn die angeblichen Dokumente, die Gusenbauer weitergegeben haben soll, stellten sich weitgehend als Protokolle des parlamentarischen U-Ausschusses von 2009 („Spitzel-U-Ausschuss") heraus. Und sind nicht streng geheim, sondern stehen im Internet.
Insofern meinte das BAK (Abteilung 3) Mitte März dieses Jahres: Weitere Ermittlungen seien „nur zielführend", wenn Lev N. zur „Konkretisierung greifbarer - und nicht abgeschriebener oder kopierter - Verdachtsmomente aufgefordert wird". Diese Einschätzung lässt es höchst unwahrscheinlich erscheinen, dass Ex-Kanzler Gusenbauer jemals wegen Spionage vor Gericht muss.

(Die Presse - Printausgabe vom 08.07.2013)

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