Servitenkloster: Abschiebung aus Wahlkampfgründen?

Servitenkloster Zehn Asylwerber festgenommen
Servitenkloster Zehn Asylwerber festgenommen(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Acht ehemalige Votivkirchen-Besetzer wurden festgenommen und sollen abgeschoben werden. Caritas, Grüne und Kardinal Schönborn sind empört. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner weist die Vorwürfe zurück.

[WIEN/APA/Red.]  Die Festnahme und mögliche baldige Abschiebung von acht pakistanischen Asylwerbern hat am Sonntag zu einer heftigen politischen Debatte geführt. Kardinal Christoph Schönborn und die Grünen vermuten hinter der Aktion Wahlkampfmotive; Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) weist dies zurück. „Auch die Monate vor einer Wahl können weder zu einer rechtsfreien noch zu einer polizeifreien Zeit erklärt werden“, erläuterte sie in einer Aussendung. Es gelte, die Gesetze einzuhalten. „Zurufe von linker oder rechter Seite haben dabei nichts verloren. Österreich ist kein Willkürstaat.“

Ende 2012 hatten Dutzende Asylwerber aus Protest gegen die Asylbedingungen in Österreich die Votivkirche besetzt; nach wochenlangen Verhandlungen wurden sie dann im März ins Servitenkloster im neunten Wiener Gemeindebezirk umgesiedelt. Gestern, Sonntag, hat die Polizei aber acht aus Pakistan stammende Männer festgenommen und sie in ein Anhaltezentrum gebracht. Die Asylverfahren der Betroffenen seien rechtskräftig negativ, so Polizeisprecher Roman Hahslinger. Eine freiwillige Heimreise sei nicht erfolgt, obwohl die Betroffenen mehrfach darüber informiert worden seien. Nun sei ein Festnahmeauftrag vorgelegen.

Rasche Abschiebung?

Informationen, dass die Abschiebungen schon heute, Montag, stattfänden, wollte der Sprecher nicht kommentieren. Laut Katrin Hulla, Asylexpertin der Caritas, wird bei einem Festnahmeauftrag in der Regel innerhalb von 48 Stunden abgeschoben. Es wären die ersten Asyl-Suchenden der Protestbewegung, die des Landes verwiesen werden. Bestürzt reagierten Caritas und die Grünen: Eine Abschiebung in ein Land mit hoher Terrorgefahr sei „menschlich wie politisch nicht hinnehmbar“, heißt es etwa von den Grünen und bei der Caritas. Die Grünen vermuten hinter der Aktion, ebenso wie Christoph Schönborn, Wahlkampfmotive.

Schönborn, der sich derzeit beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro aufhält, hat sich in einer Aussendung bestürzt über die Festnahmen gezeigt. Er appellierte an Politiker und Behörden, von einer Abschiebung Abstand zu nehmen und die in Schubhaft genommenen Asyl-Suchenden wieder auf freien Fuß zu setzen: „Rechtsstaat und Menschlichkeit dürfen kein Widerspruch sein.“ Der Kardinal stellt in der Aussendung auch die Frage nach einem Zusammenhang mit dem Wahlkampf. Außerdem wies er darauf hin, dass die Festnahme zu einem Zeitpunkt erfolge, zu dem er sich im Ausland aufhalte. Laut Caritas-Expertin Hulla gibt es nicht viele Möglichkeiten, die Abschiebung noch zu verhindern. Denkbar wäre ein Antrag auf Stopp der Abschiebung an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Eine weitere Möglichkeit wäre Flugunfähigkeit, die vom Amtsarzt bescheinigt werden müsse. Die Caritas wollte am Sonntag jedenfalls noch alles versuchen, rechtlich gegen eine Abschiebung vorzugehen.

Die FPÖ schoss sich indes auf Schönborn ein, weil er sich „bestürzt“ gezeigt hatte. „Wir hingegen sind bestürzt darüber, dass sich ein hoher geistlicher Würdenträger in die österreichische Innenpolitik einmischt und den Rechtsstaat infrage stellt“, ließ Wiens FPÖ-Landesparteisekretär Hans-Jörg Jenewein wissen. Die Festnahme hat auch zu einem Protest vor dem Anhaltezentrum Rossauer Lände geführt. Etwa 60 bis 70 Personen demonstrierten gegen die Festnahmen.

Zahl der Asylanträge gestiegen

Allgemein ist die Zahl der Asylanträge in Österreich im ersten Halbjahr 2013 deutlich gestiegen. Von Jänner bis Juni wurden 8.201 Anträge gestellt, das ist ein Anstieg von rund zwölf Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres (7.339), wie aus Daten des Innenministeriums hervorgeht. Die meisten Anträge kamen weiterhin von Afghanen (1.291). Die Asylanträge im ersten Halbjahr wurden übrigens zu fast drei Vierteln von Männern und nur zu einem Viertel von Frauen gestellt.

Asylanträge in Österreich

Die Asylanträge in Österreich sind im ersten Halbjahr 2013 deutlich gestiegen. Von Jänner bis Juni wurden 8201 Anträge gestellt, das ist ein Anstieg von rund zwölf Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Diese Zunahme basiert demnach im Wesentlichen auf dem Anstieg bei den Asylanträgen von kosovarischen, marokkanischen, algerischen, nigerianischen, syrischen, pakistanischen und russischen Staatsangehörigen.

Die meisten Anträge kamen von Afghanen (1291), die Zahl ging allerdings gegenüber dem ersten Halbjahr 2012 um 32 Prozent zurück. Es folgen Russland (1284, plus neun Prozent) und Pakistan (629, plus 36 Prozent). Einen Anstieg von 69 Prozent gab es bei Anträgen aus dem Bürgerkriegsgeschüttelten Syrien (611). Noch stärker war die Zunahme bei Anträgen aus Algerien mit 97 Prozent (575), am größten bei Anträgen aus dem Kosovo mit einem Plus von 182 Prozent (412 Anträge im ersten Halbjahr 2013).

Die Chancen auf Asyl sind für bestimmte Staatsangehörige freilich gering: Drei Bürgern aus Algerien, sieben aus dem Kosovo und zehn aus Pakistan wurde im ersten Halbjahr Asyl gewährt. Anträge aus Afghanistan hingegen waren zu 47 Prozent erfolgreich, jene aus Russland immerhin zu 25 Prozent. Noch bessere Chancen haben Syrer, von ihnen waren 69 Prozent der Anträge erfolgreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29. Juli 2013)

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